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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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Hollys.
    Eileen ist nur im Spiel, weil Holly mich abserviert hat.
    Vielleicht sollte ich Holly dafür dankbar sein, dass sie Eileen in mein Leben geführt hat.
    Vielleicht auch nicht.
    Eins ist jedenfalls sicher, dachte ich, Holly gebührt Dank für das geheimnisvolle Mädchen. Ich wäre ihr nie begegnet, wenn Holly nicht meine Welt in Stücke geschlagen hätte.
    Ich frage mich, wo sie ist.
    Wahrscheinlich ein paar Kilometer weiter nördlich.
    Schlendert sie einen Bürgersteig entlang? Schleicht sich in ein Haus? Trifft sich vielleicht wieder mit der Tequila trinkenden Frau, die ich in der Küche beobachtet habe?
    Was, wenn Randy sie in die Finger bekommt?
    Nein, er will Eileen.
    Pech gehabt, Arschloch, die Trolle sind dir zuvorgekommen.
    Zumindest haben sie es versucht.
    Wo ist Randy jetzt?, fragte ich mich.
    Direkt hinter uns.
    Wäre das nicht fantastisch?
    Ich hatte das Bedürfnis, mich umzudrehen, aber ich
unterdrückte es. Zum einen würde Eileen mich fragen, warum. Zum anderen wusste ich nicht, was ich tun sollte, wenn er wirklich da wäre.
    Während ich neben Eileen die Straße entlangging, wurde das Gefühl, dass uns jemand folgte, immer stärker.
    Ich wagte nicht zurückzublicken.
    Zeilen eines Gedichts schlichen sich in meine Gedanken:
    Wie einer, der einsam die Straße zieht
Vor Angst und Schauer schwer,
Noch einmal sich wendend, weiterzieht
Und wendet sein Haupt nicht mehr,
Denn siehe, er weiß, der erzböse Feind
Stapft ihm auf den Fersen einher.
    Wie treffend, dachte ich.
    War das von Wordsworth? Nein, vor diesem Semester hatte ich kaum was von Wordsworth gelesen. Poe? Vermutlich nicht. Ich hatte zwar einige von Poes Gedichten auswendig gelernt, aber das schien zu keinem davon zu gehören.
    Coleridge!
    Ich war mir fast sicher. Es fühlte sich an wie Coleridge. Ich kannte nur drei Gedichte von Coleridge auswendig: »Christabel«, »Kubla Khan« und »Der alte Seefahrer« . Dieses war auf keinen Fall »Kubla Khan« .
    Ich drückte Eileens Hand. Sie sah mich an, und ich rezitierte die Verse.
    »Danke, dass du mir Angst einjagst«, sagte sie lächelnd.

    »Es ging mir einfach so durch den Kopf. Sagt dir das was?«
     
    »Es ist ein alter Seefahrer / Und hält einen von dreien an.«
    »Ah! Okay, danke. Ich dachte, es wäre aus › Christabel ‹.«
    »Nein, aus dem alten Seefahrer.«
    »Hätte ich eigentlich wissen müssen.«
    »Sie hingen kein Kreuz, doch beiderseits / Um den Hals mir den Albatros.«
    »Ein hübsches Gedicht für eine Nacht, in der ich jemanden getötet habe.«
    Eileen drückte meine Hand. »Wenn er tot ist, werden wir schon damit fertig.«
    »Wenn du meinst.«
    »Auf die eine oder andere Art.«
    »Was meinst du damit?«, fragte ich.
    »Tja, wir müssen sehen, was möglich ist. Vielleicht können wir ihn mit dem Auto wegfahren und irgendwo außerhalb der Stadt abladen. Vielleicht in Gunther Woods.«
    »Funktioniert dein Wagen wieder?«
    »Ich habe eine neue Batterie. Jetzt läuft er wieder. Ich habe mir überlegt, wir könnten die Leiche dichter zur Straße bringen, dann mein Auto holen und ihn in den Kofferraum legen.«
    Ich stellte mir vor, wie wir versuchten, den toten nackten Penner zur Straße zu schleppen.
    Ohne Handschuhe.
    »Ich weiß nicht«, murmelte ich.
    »Wir werden sehen«, sagte Eileen.

    Nach einem äußerst gewundenen Weg erreichten wir den Old Mill einen Block östlich von der Division-Street-Brücke. Als wir die Böschung hinabstiegen, fiel mir auf, dass ich mir schon eine Weile keine Sorgen mehr darum gemacht hatte, ob uns jemand folgte.
    Niemand ist hinter uns her, dachte ich.
    Ach ja?
     
    Als wir das Flussufer erreichten, flüsterte ich: »Lass uns hier eine Minute warten und uns vergewissern, dass niemand kommt.«
    »War jemand hinter uns?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Ich bin nur vorsichtig.«
    Eileen nickte leicht und sagte: »Ein bisschen Paranoia kann nicht schaden, wenn man an einen Tatort zurückkehrt.«
    Wir duckten uns hinter ein paar Büschen. Eileen legte einen Arm um meinen Rücken, und ich konnte ihre Brust an der Seite meines Arms spüren.
    Ihr Atem kitzelte an meinem Ohr, als sie flüsterte: »Wenn uns jemand folgt, dann hoffe ich, dass es keiner der ›erzbösen Feinde‹ ist.«
    »Da schließe ich mich an.«
    Dann waren wir eine Weile still und lauschten. Ich hörte den Wind in den Blättern über uns rauschen. Ein Auto fuhr vorbei, aber es schien weit entfernt zu sein. Hin und wieder zwitscherte ein Vogel. Eine Eule schrie. Ein kleines Tier trippelte

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