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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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irgendwo über uns durch das Gras.
    Ich war mir jeden Moment bewusst, dass Eileens Brust meinen Arm berührte. Durch unsere Kleidung spürte ich
die Wärme. Ich nahm auch die leichten Bewegungen wahr, wenn sie ein- und ausatmete.
    Will sie mich damit erregen?, fragte ich mich.
    Zumindest lenkte es mich von unseren Schwierigkeiten ab.
    »Ich glaube nicht, dass jemand kommt«, sagte sie leise.
    »Startklar?«
    »Lass es uns hinter uns bringen.«
     
    Ich übernahm die Führung. Wir folgten einem Pfad am Ufer des Flusses. Ich hielt meine Taschenlampe bereit, schaltete sie jedoch nicht ein.
    Wir sprachen kein Wort.
    Bald sahen wir die Division-Street-Brücke. Darunter war es völlig dunkel.
    Wir können nicht unter die Brücke gehen, dachte ich. Die Männer könnten zurückgekommen sein.
    Wenigstens habe ich dieses Mal eine Taschenlampe.
    Nicht weit entfernt von der Brücke blieb ich stehen und musterte die Umgebung. Es sah alles so aus wie vorher, nur umgedreht, weil wir nun von der anderen Seite kamen. Es war, als betrachtete ich meine Erinnerungen an unseren ersten Ausflug in einem Spiegel.
    In anderer Hinsicht unterschied es sich dennoch. An der Brüstung stand kein Liebespaar. Es fuhr kein Auto vorbei. Und der Zugang zur Dunkelheit unter der Brücke war stärker zugewachsen als auf der anderen Seite.
    Um dort hinzugehen, würden wir uns einen Weg durch das Unterholz bahnen oder durch den Fluss waten müssen.

    In beiden Fällen hören sie uns wahrscheinlich kommen, dachte ich.
    Ich drehte mich zu Eileen um und flüsterte: »Was hältst du davon, die Sache abzublasen?«
    »Was hältst du davon, ins Gefängnis zu kommen?«
    »Ich habe nur Angst, wir könnten unser Glück überstrapazieren.«
    »Denk einfach daran, wie toll wir uns fühlen, wenn wir das erledigt haben.«
    »Ich weiß nicht. Ich hab kein gutes Gefühl.«
    »Es wird nichts passieren. Wir haben die Taschenlampe.«
    »Ja.«
    »Wenn jemand da drunter ist … jemand Lebendiges … hauen wir ab, als wenn der Leibhaftige hinter uns her wäre.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Es wird schon gutgehen.«
    »Hoffentlich.«
    »Gib mir doch die Taschenlampe, dann gehe ich vor.«
    »Nein, schon in Ordnung.« Ich wartete keine weiteren Vorschläge ab, sondern drehte mich um und ging auf den dunklen Durchgang unter der Brücke zu.
    Ich hatte ein beengtes Gefühl in der Brust, und meine Beine waren schwer. Mein Herz klopfte wild. Der Penis zog sich zusammen, der Hodensack schrumpelte. Mein Magen rebellierte.
    Das ist keine gute Idee, dachte ich.
    Aber ich ging weiter.
    Ein Mann zu sein, ist nicht immer das reinste Honiglecken.
Um zu vermeiden, dass Frauen uns für Trottel oder Feiglinge halten - und uns deshalb verachten oder verlassen -, tun wir, was sie von uns erwarten. Auch wenn wir es nicht tun wollen. Auch wenn wir es besser wissen.
    Ich wusste, dass dies eine schlechte Idee war.
    Aber ich hatte meine Einwände vorgebracht, und Eileen war noch immer dafür, weiterzumachen.
    Okay. Wir werden sehen.
    Ich begann, durch das hüfthohe Gebüsch zu stapfen. Es verhakte sich in meiner Jeans, raschelte und knackte. Trockene Blätter zerbröselten unter meinen Schuhen. Zweige zerbrachen.
    Sie könnten uns aus einer Meile kommen hören.
    Ich blieb stehen. Eileen legte eine Hand auf meinen Rücken und wartete hinter mir. Ich knipste die Taschenlampe an.
    Der Lichtstrahl breitete sich kegelförmig durch die Dunkelheit aus, beleuchtete den Boden, den Fluss, eine alte Matratze mit Lumpen daneben, platt getretene Dosen und zerbrochene Flaschen.
    Aber keinen nackten Mann, der ausgestreckt auf dem Boden lag.
    Überhaupt keine Leute.
    Bis ich den Strahl ein Stück nach links bewegte. Beinahe jenseits seiner Reichweite hob sich schwach ein Kreis kauernder Männer von der Dunkelheit ab. Behaart, verdreckt, blutig.
    Alle sahen uns an.
    Kauend.
    Blut strömte aus ihren Mündern.

    Hinter meinem Rücken stöhnte Eileen erschrocken auf, voller Verzweiflung und Entsetzen, als hätte sie gerade gesehen, wie ein niedlicher Panda enthauptet wurde.
    Ich schaltete schnell die Taschenlampe aus.
    »Verfluchte Scheiße«, flüsterte Eileen.
    Ich wirbelte herum und keuchte: »Weg hier!«

27
    Sie erwischten uns nicht. Ich glaube, sie gaben sich auch keine große Mühe. Wir hörten sie ungefähr eine Minute lang grunzend hinter uns herhasten. Als wir die Böschung erklommen, gaben sie offenbar auf, vermutlich weil sie nicht riskieren wollten, von noch jemand anderem entdeckt zu werden.
    Eileen und ich

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