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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
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meinte Casey. »Menschen essen keine anderen Menschen.«
    »Doch, Menschen essen Menschen«, sagte ich. »Das ist gar nicht so ungewöhnlich, wie die meisten Leute glauben möchten.«
    »Tja, hier in der Gegend scheinen sie es zu tun. Das lichtscheue Gesindel jedenfalls. Kannst du mich mal anstoßen?«
    »Klar.«
    Ich trat hinter Caseys Schaukel. Dann beugte ich mich vor, legte meine Hände auf ihre Schulterblätter und stieß sie sanft an. Sie schwang nach vorn, die Ketten quietschten.
    »Fester«, sagte sie.
    Als sie zurückschwang, schob ich sie fester an, und die Schaukel hob sich höher in die Luft. Ich trat ein paar Schritte zurück, um nicht mit ihr zusammenzuprallen. Ihr Rücken drückte sich gegen meine Hände, und ich stieß sie noch einmal an.
    »Fester«, sagte sie wieder.
    Beim nächsten Mal stieß ich sie noch fester an. Meine
Hände berührten sie tiefer am Rücken. Unter dem Sweatshirt schien sie nichts anzuhaben. Ich konnte die Rundung ihres Brustkorbs spüren.
    »Du machst das gut«, sagte sie.
    »Danke.«
    Bald flog sie durch die Luft. Auf dem Weg nach oben lehnte sie sich weit zurück, zog an den Ketten, streckte die Beine aus, und ihr Pferdeschwanz baumelte herab. Beim Zurückschwingen setzte sie sich auf und winkelte die Beine an, bis ihre Füße die Unterseite der Schaukel berührten. Ihr Pferdeschwanz drückte sich gegen ihren Nacken.
    Ich musste weiter zurücktreten. Je höher sie schwang, desto tiefer wanderten meine Hände beim Anstoßen. Zuerst berührte ich ihre Taille, dann die Hüfte, ihre jeansbedeckten Hinterbacken und schließlich die Kante der Schaukel.
    Dann schwang sie so hoch, dass die Ketten ihre Spannung verloren. Sie fiel mit der Schaukel ein Stück herab, die Ketten strafften sich wieder, die Schaukel schlingerte hin und her und geriet aus der Bahn. Casey lachte. Sie schwang nach unten und drehte sich um die eigene Achse.
    »Soll ich …?«
    »Schon okay«, sagte sie.
    Ich ging aus dem Weg. Casey holte nun selbst Schwung, und schon bald bewegte sich die Schaukel wieder gleichmäßig und ruhig vor und zurück.
    »Gut gemacht«, sagte ich.
    »Danke.«
    »Eigentlich brauchst du keinen, der dich anschiebt.«

    »Nein, aber es macht Spaß. Warum schnappst du dir nicht auch eine Schaukel?«
    Ich sehe dir lieber zu, dachte ich. Aber statt es auszusprechen, setzte ich mich auf die Schaukel neben ihrer. Der hölzerne Sitz und die kalten Ketten fühlten sich angenehm und vertraut an.
    Zu vertraut, als dass die Erinnerungen aus der Kindheit stammen konnten.
    Plötzlich fiel mir ein, dass ich im letzten Frühling mit Holly auf einem Spielplatz gewesen war. In einer warmen, süß duftenden Nacht kurz vor Ende des Semesters hatten wir nebeneinander auf Schaukeln gesessen, die diesen hier sehr ähnelten. Keiner von uns hatte richtig geschaukelt; wir hatten einfach nur dagesessen und lange Zeit leise miteinander gesprochen.
    Ich konnte mir Holly vorstellen, wie sie dort in der Dunkelheit saß, den Kopf zu mir gewandt, die Hände an den Ketten, ihre nackten Füße im Sand. Sie hatte weiße Shorts getragen. Ihre Haut hatte viel dunkler gewirkt als die Hose.
    War es derselbe Spielplatz gewesen? Ich war mir nicht sicher.
    Mir wurde klar, dass es mir ziemlich egal war.
    Ich verspürte auch nicht die Traurigkeit und Sehnsucht und Verbitterung, die sich normalerweise mit den Gedanken an Holly einstellten.
    »Juch-huu!«, rief Casey, wenn auch nicht besonders laut.
    Ihre Stimme holte mich in die Gegenwart zurück, und ich hob gerade rechtzeitig den Blick, um zu sehen, wie sie
an dem höchsten Punkt des Schwungs von der Schaukel sprang. Sie ließ die Ketten los und schien einen Moment lang in der Luft zu schweben, während die leere Schaukel kreiselnd und sich überschlagend nach unten taumelte. Dann fiel Casey herab, als wäre sie von einem Sprungturm gesprungen.
    Mit gestreckten Beinen und gespreizten Armen flog sie durch die Luft. Das Bild erinnerte mich an ihren Sprung von der Veranda. Aber dieses Mal war die Fallhöhe um einiges größer. Der Pferdeschwanz flatterte über ihrem Kopf. Ihr Sweatshirt flog hoch bis unter die Armbeugen. Ich sah ihren nackten Rücken und erhaschte einen Blick auf die Seite ihrer linken Brust.
    Bei der Landung fielen ihr Haar und das Sweatshirt herab. Casey ging in die Knie. Dann stolperte sie nach vorn, als wäre sie von einem unsichtbaren Rüpel gestoßen worden, machte ein paar sehr schnelle Schritte und stürzte auf Hände und Knie.
    Ich sprang von meiner Schaukel

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