Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
ihr mit beiden Händen die Schuhe entgegen. Sie tastete sich an meinen Armen entlang, fand die Schuhe und nahm sie. Als sie an mir vorbeiging, streifte sie mich.
    Kurz darauf nahm sie wieder meinen Arm. »Komm, wir gehen nach oben«, flüsterte sie.
    Nach oben. In ihr Zimmer?
    Ich dachte, wir wollten nur Freunde sein?
    Ich war erstaunt, aufgeregt und ängstlich.
    Beruhig dich, sagte ich mir. Nur weil wir nach oben gehen, heißt das nicht, dass wir miteinander schlafen.
    »Wir müssen ganz leise sein«, sagte sie. »Ich will niemanden aufwecken.«
    »Wer ist denn außer uns noch hier?«
    »Lass uns nachsehen.«
    »Weißt du das nicht?«
    »Pssst.«
    Casey führte mich durch den Flur, und wir schlichen eine Treppe hinauf. Es war so dunkel, dass es keine Rolle spielte, ob ich meine Augen offen oder geschlossen hatte. Ich ließ sie trotzdem offen. Casey hielt weiter meinen rechten
Arm fest. Meine linke Hand glitt über das Geländer. Wir bewegten uns ganz langsam, ganz leise. Hin und wieder quietschte oder knarrte eine Stufe.
    Mein Gott, dachte ich, ich stehle mich mit Casey, dem geheimnisvollen Mädchen, ins Obergeschoss.
    Meine Aufregung war beinahe unerträglich. Meine Angst auch.
    Was ist, wenn uns ihre Eltern erwischen?
    Oder wenn sie uns nicht bemerken, wir uns in Caseys Zimmer schleichen und uns lieben?
    Oder wenn unser Verfolger gesehen hat, in welches Haus wir gerannt sind und hinterherkommt, um uns zu holen?
    Ich war mir ziemlich sicher, dass Casey die Haustür nicht abgeschlossen hatte.
    Ich stellte mir vor, wie der große Mann schwerfällig die Treppe hinaufstieg und oben angekommen ein Messer zog.
    Fee! Fie! Foe! Fum! Ich rieche Menschenfleisch …
    Scheiße.
    Am Ende der Treppe führte Casey mich nach links. Der Teppich dämpfte unsere Schritte. Vor uns befand sich ein Fenster, durch das der schwache Schein der Nacht fiel. Das graue Licht erhellte das Ende des Flurs, wurde aber in unsere Richtung schwächer und ließ den Großteil des Korridors im Dunkeln.
    Ein brummendes Geräusch jagte mir einen Schauder über den Rücken.
    Casey blieb stehen.
    Links von uns befand sich eine offene Tür. Das Brummen kam von dort, und mir wurde klar, dass jemand in
dem Zimmer schlief und schnarchte. Nein, es mussten zwei Leute dort schlafen. Im dem Raum war es etwas weniger dunkel als im Flur.
    Casey zog sanft an meinem Arm, und ich folgte ihr in das Zimmer. Zwischen zwei Fenstern stand ein sehr großes Bett. Die Vorhänge waren zugezogen, doch es fiel Licht durch den Stoff und die Lücken an den Rändern.
    Tatsächlich schliefen zwei Menschen im Bett. Ihre Köpfe ruhten auf den Kissen. Eine Person war bis zu den Schultern zugedeckt, während die andere auf der Seite zusammengerollt und ohne Decke dalag. Es schien eine Frau in einem dunklen Pyjama zu sein, aber die Füße waren nackt. Es war kühl im Zimmer. Ich dachte, dass sie kalte Füße haben müsste.
    Ich nahm an, es handelte sich um Caseys Eltern.
    Seltsam, dass sie mich in ihr Zimmer brachte, während sie schliefen.
    Sie wird ihre Gründe dafür haben, dachte ich.
    Ich wollte das Zimmer verlassen, doch Casey hielt meinen Arm fest. Sie führte mich auf die rechte Seite des Betts, wo das Fenster war. Dort ließ sie meinen Arm los. Mit beiden Händen schob sie die Vorhänge auseinander. Licht fiel in den Raum. Zuerst kam es mir so hell vor, dass ich befürchtete, die Schlafenden würden aufwachen. Aber sie schnarchten weiter, und ich stellte fest, dass das Licht eigentlich eher schwach war.
    Während Casey die Vorhänge ganz öffnete, hörte man das leise Schaben der Ringe an der Gardinenstange.
    Die beiden schliefen weiter.
    Casey trat zur Seite, um mir Platz am Fenster zu machen.
Ich trat leise neben sie, bis mein Arm den ihren berührte. Durch die Scheibe hatten wir einen guten Blick auf den Bereich vor dem Haus.
    Deshalb war sie also mit mir in das Zimmer gegangen.
    Bis auf ein paar im Schatten liegende Stellen waren der Rasen, der Bürgersteig und die Straße sehr gut beleuchtet. Wir konnten sogar Teile der Nachbargrundstücke zu beiden Seiten des Hauses und auf der anderen Straßenseite erkennen.
    Es war niemand zu sehen.
    Wo ist er?
    Vielleicht hatte unser Verfolger keine Ahnung, wo wir steckten, und war weitergelaufen, um andere Straßen oder Viertel nach uns abzusuchen. Möglicherweise hatte er auch aufgegeben und war abgezogen.
    Oder er wusste, wo wir waren. Er könnte sich da unten irgendwo versteckt haben und darauf lauern, dass wir herauskamen. Vielleicht

Weitere Kostenlose Bücher