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Finster

Titel: Finster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
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Atemgeräuschen schloss ich, dass Marianne wieder eingeschlafen war.
    Casey beugte sich über mich und flüsterte: »Wir können jetzt gehen.«
    Ich rutschte langsam über die Matratze. Casey nahm meine Hand und zog mich auf die Füße. Sie führte mich aus dem Zimmer, den dunklen Flur entlang und die Treppe hinunter.
    Im Erdgeschoss zogen wir unsere Schuhe an. Ich hatte erwartet, dass Casey mich direkt zur Haustür bringen würde, doch wir gingen in die andere Richtung. Im stockdunklen Korridor sagte sie: »Willst du aufs Klo?«
    »Hier im Haus?«
    »Ja.«
    Ich musste dringend, aber sagte: »Ich glaub nicht.«
    »Okay. Ich bin gleich wieder da.« Sie ließ meine Hand los. Ich hörte ein paar leichte Schritte. Dann wurde rechts neben mir leise eine Tür zugezogen. Einen Augenblick später erschien ein gelber Lichtstreifen unter der Tür.
    Vielleicht wohnt sie wirklich hier, dachte ich.

    So laut wie es plätscherte, schien ihr Bedürfnis äußerst dringend gewesen zu sein. Es dauerte ziemlich lange. Nachdem das Plätschern versiegt war, hörte ich, wie ein Wasserhahn aufgedreht wurde. Sie wusch sich die Hände, aber sie hatte noch nicht die Toilettenspülung betätigt.
    Unter diesen Umständen konnte man vielleicht darauf verzichten.
    Sie öffnete die Tür einen Spalt. Das Licht im Bad war noch an. Mit dem Gesicht dicht am Spalt flüsterte sie: »Bist du sicher, dass du nicht willst?«
    »Ja, völlig.«
    Sie nickte und trat von der Tür weg. Nachdem sie gespült hatte, kam sie zurück und schaltete das Licht aus. Ich hörte, wie die Tür aufging. Sie ertastete meinen Arm und nahm meine Hand. Ihre Hand war kalt vom Wasser.
    Anstatt umzudrehen und zur Haustür zu gehen, führte sie mich in den hinteren Teil des Hauses. Der Teppichboden endete. In dem schwachen Licht, das durchs Fenster fiel, erkannte ich Hängeschränke, Arbeitsplatten, einen Herd und einen Kühlschrank.
    »Hast du Durst?«, fragte Casey.
    »Eigentlich nicht.«
    »Hunger?«
    »Sollten wir nicht lieber abhauen?«
    »Warum?«
    »Du wohnst nicht hier, oder?«
    Sie hielt weiter meine Hand fest und tätschelte mit der freien Hand meine Brust. »Also das ist das Problem.«
    »Ja.«
    »Mach dir deshalb keine Sorgen.«

    »Du wohnst hier nicht?«
    »Nicht direkt.«
    »Das dachte ich mir.«
    »Aber wir dürfen hier sein.«
    »Wer sagt das?«
    »Marianne. Wir sind ihre Gäste.«
    »Was ist mit ihren Eltern?«
    »Sie schlafen.«
    »Mein Gott, hoffentlich.«
    Sie lachte leise.
    »Wissen sie, dass du dich mitten in der Nacht in ihr Haus schleichst?«, fragte ich.
    »Mein Gott, hoffentlich nicht.« Sie tätschelte noch einmal meine Brust, dann ließ sie meine Hand los und ging zum Kühlschrank. Als sie ihn öffnete, flutete Licht heraus. Sie sah sich zu mir um und fragte: »Was möchtest du?«
    »Nichts.«
    »Eine Cola? Ein Bier?«
    »Nein! Bist du verrückt? Wir müssen verschwinden.«
    »Wie wär’s mit einer Maraschinokirsche?«
    »Nein!«
    Sie nahm ein Glas mit den hellroten Kirschen aus einem Fach in der Kühlschranktür, schraubte den Deckel ab und hielt es mir hin. »Greif zu.«
    »Das ist Diebstahl.«
    »Quatsch.«
    Ich schüttelte den Kopf und weigerte mich, eine Kirsche zu nehmen. Sie wandte sich ab und legte den Deckel auf ein Gitter im Kühlschrank. Mit Daumen und Zeigefinger
griff sie ins Glas, angelte sich einen langen Stiel und zog die Kirsche aus dem durchscheinenden roten Saft. Sie ließ die Frucht über dem Glas abtropfen, legte den Kopf in den Nacken, öffnete den Mund und ließ die Kirsche langsam zwischen ihre Lippen sinken. Mit den Zähnen zupfte sie die Frucht vom Stiel. Sie kaute, und ich konnte das feuchte, schmatzende Geräusch hören und die Süße der Kirsche beinahe schmecken.
    Ich mochte Maraschinokirschen gern, aber nicht so sehr, dass ich eine gegessen hätte, die mir nicht gehörte.
    »Ich weiß, dass du auch eine möchtest«, sagte Casey.
    »Nein danke.«
    »Komm schon.« Sie fischte wieder mit den Fingern im Glas. »Marianne hat nichts dagegen. Sie hat gesagt, ich soll mich wie zu Hause fühlen.«
    »Aber ihre Eltern …«
    »Vergiss sie. Das sind Arschlöcher. Sie behandeln sie schrecklich.« Sie erwischte einen Stiel und zog die Kirsche heraus. Während sie die Kirsche abtropfen ließ, sagte sie: »Mund auf.«
    Ich öffnete den Mund und legte den Kopf zurück. Casey hielt die Kirsche über meinen Mund und neckte mich damit. Sie ließ sie ein paarmal gegen meine Lippen prallen, ehe sie die Frucht in meinen Mund sinken ließ. Ich

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