Finster
im Gebüsch auf der anderen Straßenseite. Oder hinter einem parkenden Auto. Oder hinter dem Stamm des Baums in Caseys Vorgarten. Oder auf der Veranda. Oder schon im Haus.
Wenn wir ihn nur sehen könnten!
Plötzlich fragte ich mich, ob er uns sehen konnte. So dicht an der Scheibe hätten wir für jemanden, der zum Fenster hinaufblickte, zu erkennen sein können.
Als hätte Casey den gleichen Gedanken gehabt, stieß sie mich sanft an. Ich ging aus dem Weg. Sie griff mit beiden Händen nach oben und zog die Vorhänge zu.
Dann nahm sie wieder meinen Arm und führte mich zur Schlafzimmertür. Auf der Hälfte des Weges blieb sie
stehen. Sie drückte meinen Arm und ließ ihn los. Ich drehte mich langsam um und sah zu, wie sie durch die Dunkelheit zu der Seite des Betts schlich, auf der die unbedeckte Frau schlief.
Sie legte eine Decke über die nackten Füße.
Die Frau schnarchte weiter.
Casey kam zu mir zurück. Sie fasste meinen Unterarm und brachte mich aus dem Zimmer.
40
Sie führte mich den Flur entlang in ein weiteres Zimmer. Ich hoffte, es wäre ihres. Aber die Vorhänge standen offen, und in dem Lichtschein von draußen sah ich die Umrisse von jemandem auf einem Bett neben einem der Fenster. Der Kopf lag auf einem Kissen, der Rest des Körpers war unter einer Decke verborgen.
Einen Moment lang dachte ich, es wäre kein echter Mensch, sondern eine Attrappe, die Casey dort hinterlassen hatte, ehe sie aus dem Haus geschlichen war. Aber es kamen langsame und gleichmäßige Atemgeräusche aus Richtung Bett. Falls Caseys Trick nicht so raffiniert war, dass die Attrappe sogar Geräusche machte, handelte es sich um eine reale Person.
Neben dem zweiten Fenster stand ein weiteres Bett. Es war leer.
War das Caseys Bett? Teilte sie sich das Zimmer mit ihrer Schwester?
Die Decke war glatt und ordentlich. Wenn Casey heute Nacht schon im Bett gewesen war, dann hatte sie es offenbar frisch gemacht, ehe sie zu ihren Abenteuern aufgebrochen war.
Ihr Atem kitzelte mein Ohr, als Casey flüsterte: »Wir warten eine Weile hier.« Sie ließ mich los und schloss die Tür.
Dann nahm sie erneut meine Hand und zog mich zum leeren Bett. »Leg dich hin«, sagte sie leise.
Mit wild klopfendem Herzen ließ ich mich aufs Bett sinken. Es quietschte leise. Ich rutschte zur hinteren Kante durch, um Casey Platz zu machen. Auf dem Rücken liegend beobachtete ich, wie sie sich setzte, die Beine hochschwang und sich dann flach hinlegte. Sie wandte mir ihr Gesicht zu. »Du kannst ein Nickerchen machen, wenn du willst.«
Ich tastete nach ihrer Hand und nahm sie. Sie drückte meine Hand.
»Ich glaube nicht, dass ich schlafen kann«, sagte ich mit leiser Stimme und hoffte, dass das andere Mädchen davon nicht aufwachen würde.
»Warum nicht?«
»Ich bin ein bisschen nervös.«
»Warum?«
»Wegen allem.«
Sie drehte sich zu mir. Ich legte mich ebenfalls auf die Seite. Die Matratze wackelte ein wenig, als sie näher zu mir rutschte. Sie schob einen Arm über meinen Rücken. Ich spürte ihren Atem an meinen Lippen, die Berührung ihrer Brüste durch den weichen Stoff, die Wärme ihrer Schenkel
an meinen. Ich legte ebenfalls meine Hand auf ihren Rücken.
»Du brauchst nicht nervös zu sein«, sagte sie. »Hier sind wir sicher.«
Beinahe hätte ich erwähnt, dass sie die Tür nicht abgeschlossen hatte. Aber dann wäre sie vielleicht hinuntergegangen, um das nachzuholen. Ich wollte jedoch, dass sie blieb, wo sie war.
»Versuch zu schlafen«, flüsterte sie.
»Das klappt garantiert nicht.«
»Du musst dich entspannen. Denk an was Schönes.«
Ich schloss meine Augen. Kein Problem, ich dachte an etwas Schönes. Es hatte mit Casey und mir in einem Bett zu tun.
An ihrem Atem spürte ich, dass ihre Lippen nur wenige Zentimeter von meinen entfernt waren. Mich verlangte danach, sie zu küssen, näher an sie zu rutschen und sie fest an mich zu drücken, meine Hand unter ihr Sweatshirt zu schieben.
Spekuliert sie darauf?, fragte ich mich.
Vorhin auf dem Spielplatz hatte sie mich aufgehalten, als ich sie küssen wollte. Nur Freunde , hatte sie gesagt. Und: Wir kennen uns doch kaum. Und: Außerdem bist du schon mit Eileen zusammen.
Hatte sie ihre Meinung geändert?
Unwahrscheinlich.
Was machen wir dann hier in ihrem Bett?
Es ist nur ein Ort, an dem wir warten, bis draußen keine Gefahr mehr droht.
Wirklich? Das könnten wir auch im Wohnzimmer tun.
Aber wir sind nicht im Wohnzimmer, wir sind in ihrem Zimmer.
Sie hat mir zu verstehen
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