Finster
Häuser von fremden Leuten.«
»Bedeutet das für mich, kein eigenes Zuhause zu haben?«
»Wäre möglich.«
»Muss aber nicht so sein.«
»Also, wo wohnst du?«
»Wo immer ich will«, sagte sie ernst.
»Du hast keinen Platz?«
»Doch, natürlich.«
»Ich meine einen eigenen, festen Platz. Nicht das Haus eines anderen. Ein Haus oder eine Wohnung oder so, wo du richtig wohnst.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
»Ich hab den Eindruck, eher nicht.«
»Meinst du?«
»Wo sind deine Eltern?«, fragte ich.
»Wer sagt, dass ich welche habe?«
»Bist du Waise?«
»Dann wären sie gestorben.«
»Also hast du Eltern.«
»Irgendwo.«
»Aber nicht hier?«
»Jetzt frag ich dich mal was«, sagte sie.
»Okay.«
»Willst du mich morgen Nacht wiedersehen?«
»Klar.«
»Warum?«
»Warum? Weil …« Sei vorsichtig, warnte ich mich. »Ich bin gern mit dir zusammen.«
»Warum?«
»Ich weiß nicht. Weil du interessant bist. Und lustig.«
»Ist Eileen nicht interessant und lustig?«
»Schon. Aber nicht so wie du.«
»Aber sie ist deine Freundin. Das hast du selbst gesagt. Willst du morgen Nacht nicht mit ihr zusammen sein?«
»Welche Nacht meinst du? Es ist schon Freitagmorgen …«
»Für mich ist immer noch Donnerstagnacht.«
»Wann wird es Freitag?«
»Bei Sonnenaufgang.«
»Also meinst du mit ›morgen Nacht‹ Freitagnacht?«
»Genau.«
»Da hab ich noch nichts vor.«
»Was ist mit Eileen? Solltest du an einem Freitagabend nicht deine Freundin treffen?«
Oh, Mann. Sie lässt nicht locker.
»Wir haben vereinbart, uns ein paar Tage nicht zu sehen.«
»Wieso?«
Ich wollte Casey die Wahrheit sagen. Ihr zu erklären, dass ich angegriffen worden war und wahrscheinlich einen Mann getötet hatte und was sonst noch alles Mittwochnacht geschehen war, hätte ich hinbekommen; mein wirkliches Problem bestand darin zuzugeben, dass ich mit Eileen unter die Brücke gegangen war, um mit ihr zu schlafen.
»Ich glaub, ich hab schon erwähnt, dass sie sich nicht besonders fühlte, oder?«
Casey nickte.
»Es ist wahrscheinlich nichts Ernstes, aber sie will nicht, dass ich mich anstecke. Deshalb werden wir uns morgen bestimmt nicht treffen.«
»Bist du sicher, dass ihr keinen Streit hattet?«
Ich runzelte die Stirn und antwortete nicht.
»Du siehst nämlich aus, als hättest du dich mit jemandem geschlagen.«
Ich wäre beinahe zusammengezuckt. Die Prellungen und Kratzer in meinem Gesicht hatte ich ganz vergessen. »Ach das«, sagte ich.
»Du hast sie doch nicht verprügelt, oder?«
»Nein!«
»Was ist mit dir passiert?«
Um Zeit zu gewinnen, zuckte ich mit den Schultern. Dann fiel mir etwas ein. »Ich kenn da einen Typen, Kirkus. Er ist ein echter Vollidiot.« Bis jetzt hatte ich noch nicht gelogen. »Wir arbeiten beide bei der Literaturzeitschrift der Uni mit. Ein paarmal im Monat treffen wir uns, um die Geschichten und Gedichte zu lesen, die die Leute einreichen.
Jedenfalls hat Kirkus meine Geschichte gelesen und …«
»Du hast eine Geschichte geschrieben?«
»Ja. Also, Kirkus hat sie gelesen und meinte, sie wäre beschissen. ›Unbeholfen und angeberisch, voller sinnloser Gewalt und überflüssigem Sex‹, hat er gesagt. Also habe ich ihn einen engstirnigen, schnöseligen Analphabeten genannt, und so hat eins zum anderen geführt.« Das entsprach immer noch der Wahrheit. »Dann habe ich irgendwas gesagt, was ihn wirklich geärgert hat, und er hat mir ins Gesicht geschlagen. Daraufhin habe ich zurückgeschlagen.« Ich grinste und schüttelte den Kopf. »Es war alles ziemlich dämlich. Wir haben aufeinander eingeprügelt und beide ein paar blaue Flecken kassiert. Keine große Sache.«
Alles war wahr.
Aber es war im letzten Mai geschehen.
»Also hast du dich nicht mit Eileen geprügelt?«
Was ist, wenn Casey sie sieht?
»Nein«, sagte ich. »Wir hatten noch nie richtig Streit.«
»Hast du schon mal Frauen geschlagen?«
»Wenn du Kirkus nicht mitzählst, nein.«
»Ich dachte, er wäre ein Mann.«
»Das weiß man nicht so genau. Jedenfalls liegt Eileen flach, weil sie leichtes Fieber hat. Vielleicht eine Grippe.«
»Und was ist, wenn sie gesund wird?«
Ich nahm mir einen Moment Zeit, um mir eine gute Antwort zu überlegen. Dann sagte ich: »Sie geht sowieso spätestens um elf oder zwölf ins Bett. Und sie wohnt im
Wohnheim, nicht bei mir. Ich kann also ausgehen, wann ich will.«
»Heimlich?«
»Sie muss nicht alles wissen, was ich so tue. Wir sind nicht … verlobt oder so.
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