Finstere Propheziung
Kunststoffablage. Im Glas steckte noch der Löffel und klapperte, das Geräusch hörte sich beinahe so gereizt an, wie Alex sich fühlte. »Und duzen Sie meine Mutter gefälligst nicht«, warnte sie, als sie ihren Blick wieder auf Beeson richtete. »Für Sie ist sie Mrs Fielding!«
Beeson beachtete sie gar nicht. »Wir wollen uns doch nicht um ein paar Dollar streiten, Sara ... « Er brach ab, denn da geschah es.
Der Löffel, billiges Aluminium mit einem kitschigen roten Plastikgriff, segelte mit einem Mal an Alex' Ohr vorbei. Sauste durch die Luft wie ein Hornissenschwarm, und Peng! knallte er mitten auf Hardy Beesons breite Stirn und hinterließ eine rote Delle.
Hardy taumelte erschrocken zurück, hielt sich mit beiden Händen am schmalen Türrahmen fest. Benommen schüttelte er den Kopf und versuchte wieder klar zu werden - wobei er seine Niederträchtigkeit fälschlicherweise für Vernunft hielt. »Jetzt reicht's mir mit euch beiden«, zischte er und trat einen Schritt zurück. »Ab sofort gelten hier andere Spielregeln.« Die Tür knallte hinter ihm zu. »Mom!« Alex schnappte nach Luft, verblüfft, schockiert, stolz. »Das war umwerfend!«
»Was denn?«, fragte ihre Mutter durch das Trockentuch mit gedämpfter Stimme. »Der Löffel. Wie du diesen Trottel erwischt hast!« Alex hatte die Worte kaum ausgesprochen, als ein plötzliches Frösteln ihre blassen Arme mit einer Gänsehaut überzog und eine beunruhigende Gewissheit die Haare in ihrem Nacken zu Berge stehen ließ.
Ihre Mutter hatte diesen Löffel nicht geworfen. Ihre Mutter hatte ihn nicht einmal berührt.
Kapitel 5 - DER HAIN
Karsh der Mächtige war zu ungeduldig, um auf die Fähre zu warten. Mit einem Kraftakt, der ihn sämtliche Knochen spüren ließ, beförderte sich der alte Zauberer selbst über den großen See. Im selben Moment, in dem seine Stiefel Coventry Island berührten, fragte er sich, ob er richtig gehandelt hatte. Mit der Zeit hatte er herausgefunden, dass man junge Hexen am besten erreichen konnte, indem man ihnen erzählte, dass eine gute Seele ihre Hilfe benötigte. Für den Rest sorgte dann ihr angeborenes Bedürfnis nützlich zu sein. Karsh hatte diese Methode schon hunderte von Malen angewandt, um das Können diverser Hexenzöglinge auf die Probe zu stellen. Er pflegte, sie auf ein Problem aufmerksam zu machen, und wartete dann einfach ab, wie sie damit umgingen. Niemand hatte es bislang auch nur annähernd mit den glänzenden Fertigkeiten von Apolla und Artemis aufnehmen können. Er hatte beobachtet, wie geschickt Artemis mit einer unhöflichen Mitschülerin fertig geworden war und wie Apolla, wenngleich keineswegs absichtlich, während eines Fußballspiels ihre Gegnerin geblendet hatte, sodass diese stolperte und fiel. Also hatte Karsh sich bemüht, Artemis davon zu überzeugen, dass sie heute in der Nähe ihrer kranken Mutter bleiben sollte, und er hatte Apolla gegenüber angedeutet, dass dieses schöne, blonde Mädchen, welches heute an ihrer Schule aufgetaucht war, in großer Gefahr sei.
Aber hatte er wirklich sein Möglichstes getan, um Ileanas Wünschen zu entsprechen? Hatte seine trotzige Überzeugung, dass die Mädchen von Anfang an nicht hätten getrennt werden dürfen, sich auf irgendeine Art in seine Handlungen geschlichen? Karsh massierte sich die pochenden Schläfen und eilte durch die Stadt, die Grüße, die ihm zugerufen wurden, kaum bemerkend. Als einer, der willens war, sein Leben zu geben um Arons Töchter zu retten, hatte er so gehandelt, wie er es für richtig hielt. Jedoch als einer, der seinerzeit geschworen hatte, Ileana, dem trotzigen Vormund der Mädchen, nicht in den Rücken zu fallen, hatte er versagt. Im Grunde genommen, musste Karsh sich eingestehen, war sein Versprechen, die Mädchen voneinander fern zu halten, von vornherein halbherzig gewesen.
Hatte er sie jetzt der Gefahr in die Arme laufen lassen? Thantos in die Arme? Hatte Ileana Recht? Wollte ihr Onkel beide haben oder aber keine von ihnen ? Wollte er ihre Kraft ausnutzen, um seine eigene zu stärken ?
Andererseits: Welch einen Wert konnten die Kinder denn für einen solch mächtigen Mann haben - einen Mann, der in der Wdt außerhalb von Coventry Island so grenzenlos erfolgreich war? Für einen Fürsten der Arbeit und des Handels, einen unermesslich reichen Mann?
wer wusste das schon? Thantos der Mächtige hatte die Insel Schon vor langer Zeit verlassen. Vor vierzehn Jahren, staunte Karsh, nur wenige Tage nachdem er selbst damals
Weitere Kostenlose Bücher