Finstere Propheziung
erreicht hatten, »ist das hier.« Ein funkelndes Schloss hing an der Tür. Cam zerrte daran - erfolglos.
»Wir wissen doch nicht mal, ob sie wirklich da drin ist« , wimmerte Tonya und warf einen nervösen Blick über ihre Schulter. »Nein, vielleicht dient dieses glänzende neue Zahlenschloss ja auch nur dazu, die Eichhörnchen und die Waschbären abzuhalten« , murmelte Alex.
»Ach so, ein Zahlenschloss«, rief Tonya und betrachtete es genauer. »Ich versuche, ob ich es aufkriege.« Während Tonya an dem Schloss drehte, ihr Ohr dicht an das Metall gepresst, um das entscheidende Klicken zu hören, schlichen Cam und Alex um das Gebäude herum und versuchten, eines der Bretter vor den Fenstern loszustemmen. Obschon das Holz alt und morsch war, gab es keinen Zentimeter nach. Die Mädchen handelten sich nur einige Schnitte und Splitter ein, aber natürlich wollte keine von beiden die Erste sein, die sich darüber beschwerte. »Ob sie wohl überhaupt da drin ist?«, fragte Cam entmutigt. Alex hämmerte gegen die Bretter und schrie Marleighs Namen.
Cam heftete ihren Blick auf das unnachgiebige Holz. »Sie ist hier!«, flüsterte sie und zog an Alex' Ärmel. »Ich kann sie fühlen, durch dieses kleine Loch zwischen den Brettern.«
»Apropos Loch: Du hast wohl eins im Kopf. Im Holz ist jedenfalls keins, nicht mal ein Spalt. Deine Psycho-Power hat wieder eingesetzt. Was siehst du?«
»Marleigh«, antwortete Cam. »Aber sie bewegt sich nicht. Er hat sie geknebelt und ihr eine Augenbinde verpasst und sie an einen Stuhl gefesselt.«
»Ein Knebel? Wusste ich es doch«, rief Alex aus. »Deshalb konnte ich die Worte auch nicht verstehen.«
»Du hast sie gehört?«, fragte Cam. »Das bedeutet: Sie lebt! «
»Ich habe etwas gehört, aber es war ganz gedämpft, nur ein Stöhnen.« Alex legte ihr Ohr an die alten Bretter. »Hallo?«, rief sie unbeholfen. »Hallo ? Marleigh ... gleich sind wir bei dir!«
»Hallo?«, tönte es jetzt auch von der anderen Seite des Hauses. Tonya mühte sich noch immer mit dem Schloss ab. Offenbar war es schwieriger zu ö ffnen, als sie gedacht hatte. » Marleigh!« Cam schubste Alex beiseite. »Wir sind hier, um dich zu retten. Halt durch. Wir müssen nur das Fenster aufkriegen.«
»Du hast mich gestoßen«, beschwerte sich Alex.
»Tut mir Leid, aber diese >Hallo?<-Tour ... Als ob wir Zeit für solche Nettigkeiten hätten.«
Alex grinste höhnisch. »Du kannst es ja versengen. Das Brett. Mach schon, Cam, setz deine Flammenwerfer-Kräfte ein, damit wir da reinkommen.«
»Ich weiß nicht, ob ich das kann«, flüsterte Cam.
»Hat doch bei diesem Bild an deiner Wand auch geklappt« , erinnerte Alex sie. »Schon, aber da war ich auch richtig, richtig sauer auf dich. Ich meine, ich habe vor Wut gekocht.«
»Na dann, du jämmerlicher Versager, du verzogene dumme Kuh, du verwöhntes Gör ... «
»Halt endlich deine Klappe!«, befahl Cam, schon schnaubend vor Wut. » Richte deine Energie lieber gegen das Fenster als gegen mich. Konzentrier dich auf das Fenster«, feuerte Alex sie an. »Aber was, wenn die ganze Hütte in Flammen aufgeht, bevor wir sie da rausgeholt haben?«
»Schmelz die Nägel, du Depp! Mach doch einfach erst mal irgendwas, du Flasche! « Unvermutet schnappte Cam sich Alex' Hand. »Du aber auch«, sagte sie. »Konzentrier dich auf die Nägel, du ranzige, lahme ... was weiß denn ich! «
»Wer ist hier lahm?« Alex musste lachen. »Du hast ja nicht mal einen ordentlichen Vorrat an Schimpfwörtern. Ich muss dir demnächst mal... «
»Halt die Klappe und konzentrier dich«, befahl Cam. Zwei der Nägel hatten sich bereits erhitzt. Ein dritter, auf den Alex schließlich ihren Blick heftete, wackelte wie verrückt hin und her. Und dann: Ping!
»Runter!«, schrie Alex, als der unterste Nagel aus dem Brett schnellte. »Zurück!«, brüllte Cam, als die beiden oberen Nägel schmolzen und das glühende Metall an den Brettern vor dem Fenster hinunterlief. Das Holz begann bedrohlich zu qualmen. Sie zerrten die Sperrholzplatten herunter. Alex versuchte hastig, durch das zerschlagene Fenster zu klettern. Marleigh Cooper sah fürchterlich aus. Nachdem Cam es mit Alex' unwilliger Unterstützung ins Haus geschafft hatte, musste sie sich zusammenreißen, um ihr Entsetzen zu v erbergen. Das Gesicht Marleighs war ausgemergelt, tränenüberströmt und rosa-weiß gefleckt, als hätte sie sich mit Nesselfieber angesteckt. Die sonst so makellose blonde Mähne hing nun verfilzt und fettig auf ihre
Weitere Kostenlose Bücher