Finsteres Gold
wiegt ihn wohlig. »Jedenfalls hat er dieses alte Buch mit dem Vercelli-Gedicht empfohlen, in dem von Satan erzählt wird, der das Maul eines gigantischen Drachen ist und die Welt verschlingt. Es wurde erstmals um achthundert vor Christus als der Jüngste Tag erwähnt. Fenrir war der alte Monsterwolf, der von Vidar getötet wird. Der Mythos war zuerst da. Die Christen haben das Bild dann übernommen.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sage ich zu ihm.
»Das ist der Mythos, der Mythos hinter dem, was hier gerade geschieht. Diese ganze Walhalla-Geschichte, du weißt schon. Nach dem Mythos wird es eine große Schlacht geben. Fenrir wird versuchen, die Welt zu verschlingen.« Devyn schaut Hilfe suchend zu Issie hin.
»Das kommt auch in Buffy!«, meldet Issie sich zu Wort. »Die Schule war direkt über einem Eingang zur Hölle, und Buffy musste immer die Apokalypse und so verhindern, damit Sunnydale nicht zusammen mit der ganzen restlichen Welt verschlungen wird.«
»Was?« Ich verstehe nur Bahnhof.
»Warum schaust du nicht Buffy?« , schmollt Issie. »Ich habe alle Folgen runtergeladen und hab dich immer daran erinnert. Du würdest das alles verstehen, wenn du die Serie geguckt hättest.«
»Ich habe sie nicht angeschaut, weil … ähm … weil ich immer mit Nick rumgemacht habe«, biete ich an.
Sie presst lächelnd die Lippen aufeinander und sagt: »Gute Antwort.«
Cassidy stimmt zu, aber Devyn wird ungeduldig. »Aber wir glauben nicht, dass genau das hier gerade passiert.«
»Keine Riesenwölfe, die unter der Schule lauern, um uns zu verschlingen?«, höhne ich.
Issie stößt Devyn mit dem Ellbogen an. »Sieh an! Nicht mal die Verwandlung in einen Elf hat unsere Zara zu einer echten Gläubigen gemacht. Sie ist nach wie vor sehr skeptisch. Juhu!«
Ich zeige mit dem Finger auf sie. »Hör auf zu sticheln. Das klingt einfach lächerlich.«
»Es ist lächerlich. Die Tatsache, dass ich ein Adler bin, ist lächerlich, aber so ist es, Zara. Es ist einfach so.« Devyn fährt sich enttäuscht mit den Händen durch die Haare. »Jedenfalls steht das alles in der Edda. Du kannst es nachlesen. Aber vielleicht ist es nicht buchstäblich das Maul eines Wolfes, das uns alle verschlingt, sondern eine Metapher dafür, dass das Böse die Macht auf der Welt ergreift. Ich weiß, dass es schwer für dich ist. Ohne Nick ist es für uns alle schwer. Und wir dachten, wir hätten dich auch noch verloren.«
Seine Stimme bricht. Issie und ich springen auf und nehmen ihn in den Arm. Cassidy streicht ihm über den Rücken. So stehen wir eine Weile alle zusammen.
Devyn löst sich als Erster und fährt fort: »Wir kommen damit in Berührung, weil Nick nach Walhalla gebracht wurde, um als Kämpfer zu dienen, wenn Ragnarök stattfindet.«
»Das ist die große Schlacht am Ende der Welt, in der alles, auch Himmel und Erde, zerstört wird«, unterbricht Cassidy und schlingt ihren Pullover um sich.
»Astley hat mir das schon erzählt. Ich habe es verstanden.« Ich löse mich von Issie und gehe zum Fenster, um hinauszuschauen. Die Welt liegt kalt und ruhig da. Astley kann ich nicht entdecken. Auch die anderen Elfen, die im Wald verborgen darauf warten, zuzuschlagen, kann ich in der Dunkelheit nicht sehen, aber ich kann sie riechen. »Und diese große Schlacht – glaubt ihr, dass sie bald stattfinden wird?«
Devyn bläst sich die Haare aus der Stirn. »Hoffentlich nicht.«
»Gegen die Apokalypse musst du immer aufbegehren«, sagt Issie. »Weißt du?«
»Ich weiß«, seufze ich. »Wir müssen also nur Nick holen und dann die Welt retten.«
Obwohl Cassidy da ist, kann ich nicht an mich halten und erzähle ihnen alles: von Astley und wie wütend ich bin, weil ich nicht einmal sicher weiß, ob Nick noch am Leben ist. Wie irre es war, ein Elf zu werden. Wie sehr ich mich davor gefürchtet habe, dass ich ihnen etwas antun könnte, aber wie cool es andererseits ist, so stark zu sein und nicht so schrecklich zu frieren. Was ich ihnen verschweige, sind all meine verrückten, gemischten Gefühle, die ich hatte, weil ich Astley geküsst habe. Und wie sehr mir Nick fehlt.
Als ich fertig bin, sagt Cassidy: »Ich glaube, wir können herausfinden, ob er noch lebt.«
Und Devyn fügt erklärend hinzu: »Sie hat das schon mal gemacht, mit dir.« Dabei schaut er sie an wie ein stolzer Vater. »Wir haben dich mit ihrer Hilfe in dem Hotelzimmer gesehen …«
»Du hast geschrien«, wirft Issie ein, »und gezittert. Es war gruselig, weil du so
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