Finsteres Licht
Blut.
„Soll ich es für euch aufwärmen?“
Warmes Blut? Ich trank es immer gut gekühlt und konnte mir nicht vorstellen wie es aufgewärmt schmeckte. Ich wartete einfach ab, was Aris wollte.
„Ja, bitte“, war seine Antwort.
Nitsa schaute mich fragend an und ich nickte wortlos.
In einem der Hängeschränke verbarg sich ein Mikrowellenherd. Nitsa leerte das Blut in ein Plastikgeschirr und erwärmte es kurz. Schon allein durch das Aroma, das durch die Lüftung des Mikrowellenherdes strömte, lief mir da s Wasser im Mund zusammen. S chon wurden meine Eckzähne länger. Nach dem Klingeln der Mikrowelle nahm sie das warme Blut heraus und füllte es in die drei Gläser. Während sie jedem von uns eines in die Hand drückte, bat sie uns ins Wohnzimmer. Aris und ich setzten uns auf das weiche Sofa, über dessen Sitzflächen cremeweiße kuschelige Decken lagen. Nitsa machte es sich auf dem Sessel bequem. Ich nahm einen Schluck aus meinem Glas und hätte mich fast verschluckt, so gut schmeckte das warme, leckere Blut. Ich musste zugeben, es lag nicht nur an meiner brennenden Kehle, die sich immer mal meldete, wenn meine letzte Nahrungsaufnahme länger zurücklag, dass es besser schmeckte als gekühltes Blut. Wahrscheinlich verlor es durch die niedrige Temperatur ziemlich viel von seinem ursprünglichen Geschmack. Auf einmal war ich neugierig, wie es wohl sein würde und vor allem schmecken würde, wenn man es direkt aus de r Ader eines Menschen trank. Meine Zähne schienen bei diesem Gedanken noch läng er zu werden. Dabei hatte ich diese Form der Nahrungsaufnahme f ür mich nicht in Erwägung gezogen. Wenn ich an die armen Menschen dachte, die darum beraubt werden würden, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Ich könnte das wohl nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Aber w arum kam ich jetzt auf diesen Gedanken , dass es wohl doch außergewöhnlich köstlich meinen Hals herunter laufen würde ? Ob das allein an dieser warmen roten Flüssigkeit lag? Ich starrte wahrscheinlich zu lange in mein Glas und der darin enthaltenen Erquickung, denn Aris riss mich aus meinen Gedanken.
„Ist alles in Ordnung Sarah?“, fragte er mit besorgte r Miene nach.
„Ja … ahm … ich habe nur noch nie warmes Blut getrunken … glaube ich“, stotterte ich vor mich hin.
„Schmeckt es dir nicht? “, erkundigte sich Nitsa.
„Doch, sehr sogar. Ich konnte mir nur nicht vorstellen, dass es … so sein könnte.“
Aris grinste verstohlen. Er machte sich lustig über mich, was ihm einen bösen Blick von mir einhandelte.
„ Ich weiß, heutzutage trinkt man es gekühlt, direkt aus dem Kühlschrank , um den Heißhunger nicht übermächtig werden zu lassen. Aber ich mag es am liebsten wie in alten Zeiten. Warm, aromatisch und köstlich “, erklärte Nitsa und gönnte sich ebenfalls einen Schluck.
Mit einem kleinen Seufzer und geschlossenen Augen schluckte sie den wohltuenden Halsbalsam runter.
„Es ist schon erstaunlich, wie eintönig unsere Mahlzeit im Gegensatz zu menschlichen Gerichten ist, aber dennoch niemals langweilig wird“, fügte sie anschließend noch hinzu.
„Ja“, murmelte ich und versank wieder in dem roten Traum in meinem Glas.
Gegen meinen Willen erschien immer wieder ein verschwommenes, unscharfes Bild von mir und einem Mann, an dessen Kehle ich saugte, vor meinen Augen. Wie würde es wohl sein, meine Fänge in den Hals von einem echten, lebenden menschlichen Mann zu vergraben und seine Lebensenergie zu trinken? Mein Herz machte einen Satz und ich bemühte mich die Vorstellung daran ganz tief in mir zu vergraben. So etwas durfte ich auf keinen Fall auch nur d enken. Niemals würde ich so etwas tun. Und … wenn er sich aber freiwillig beißen lassen würde? Dieser Mensch. Wenn er darum betteln würde? W as, wenn es ihm gefallen würde?
„Geht es dir wirklich gut? Du siehst etwas abwesend aus“, bemerkte Aris besorgt.
Stopp! Ich rief mich zur Vernunft und zwang mich, nicht länger daran zu denken. Andere Dinge waren im Moment viel wichtiger.
„Ja, mir geht’s wirklich gut“, beteuerte ich.
„Stillt gekühltes Blut wirklich die Blutgier?“, wollte ich von Nitsa wissen.
„Früher haben wir direkt aus den Menschen getrunken. Seit wir hier im Verborgenen leben, was schon einige hunderte Jahre so ist, trinken wir gekühltes Blut um unsere Blutgier zu stillen. Constantin verbot es, direkt aus den Menschen zu trinken, da das zu viel Aufsehen erregen könnte. Er fand sehr schnell heraus, dass
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