Finsteres Verlangen
Flüstern strich wie eine geschickte Hand in mir hin und her. Ich wusste, wer Jean-Claude beigebracht hatte, die Stimme als Werkzeug der Verführung einzusetzen. »Aber dich, ma petite, dich verstehe ich.«
Ich tat einen tiefen, bebenden Atemzug und er brannte mir in der Brust, als hätte ich lange keine Luft mehr bekommen. »Was meinst du damit?«, fragte ich heiser.
»Das vierte Zeichen, ma petite, ohne das vierte Zeichen bist du nicht wirklich Jean-Claudes Eigentum. Das ist wie der Unterschied zwischen Verlobung und Ehe, das eine kann gelöst werden, das andere nicht.«
Ich verstand, was sie meinte, und sah im nächsten Moment zwei tanzende, honigbraune Flammen über mir erscheinen. Das zweite Zeichen. Ich erkannte es, weil ich es schon drei Mal bekommen hatte: zwei Mal von Jean-Claude und ein Mal von einem Vampir, den ich danach getötet hatte. Kein einziges Mal hatte ich mich erfolgreich dagegen wehren können. Rein körperlich konnte ich nichts tun, um mich zu retten. Man konnte es nicht durch einen Faustschlag oder einen Schuss verhindern. Doch ich hatte inzwischen gewisse Fähigkeiten, die über die Ebene des Körpers hinausreichten.
Ich griff an dem langen, metaphysischen Band entlang nach Jean-Claude. Belles Stimme überströmte mich, kostete den Augenblick aus, genoss ihr Vergnügen und meine Angst. »Jean-Claude wird noch stundenlang tot sein, er kann dir nicht helfen.«
Die dunklen Flammen ihrer Augen senkten sich herab wie ein böser Engel, der es auf meine Seele abgesehen hatte. Ich tat das Einzige, was mir einfiel. Ich griff an dem anderen metaphysischen Band entlang nach jemandem, der mir seit Monaten seine Hilfe verweigert hatte: Richard.
Mir kam ein Bild in den Kopf, Richard im heißen Badewasser in Jamils Armen. Richard blickte auf, als könnte er mich sehen. Er flüsterte meinen Namen, aber entweder war er zu schwach, um mich wegzustoßen, oder er wollte es nicht. Einen Moment lang war es wie früher, dann wurde ich in meinen eigenen Körper zurückgerissen. Richard hatte mich diesmal nicht weggestoßen. Die honigbraunen Flammen schwebten vor meinem Gesicht, und ich sah einen undeutlichen Umriss, einen Geist mit langen dunklen Haaren, ein nebulöses Gesicht.
»Was ist hier bei uns im Wagen?«, schrie Caleb aufgeregt. »Ich kann nichts sehen, aber ich spüre es. Was ist das verdammt noch mal?«
»Belle Morte«, flüsterte Nathaniel.
Ich hatte keine Zeit, zu den anderen hinzusehen, denn die geisterhaften Lippen sprachen zu mir. »Ich werde nicht zulassen, dass du von deinem Wolf Kraft gewinnst. Als ich dir das erste Zeichen gegeben habe, hast du es nicht einmal bemerkt. Jetzt werde ich dir das zweite Zeichen geben, und heute Nacht bekommst du durch Musette das dritte. Wenn Jean-Claude und ich auf dem gleichen Stand sind, wirst du zu mir kommen, ma petite. Du wirst durch die ganze Welt reisen, wenn ich es verlange, und alles tun, nur um mein süßes Blut zu kosten.«
Die Lippen näherten sich meinem Mund, und sobald sie mir ihren geisterhaften Kuss aufdrückten, würde ich ihr gehören. Reflexhaft schlug ich nach ihrem Gesicht, aber es gab nichts zu berühren. Ich kreischte und sandte einen stummen Hilfeschrei zu Richard.
Plötzlich roch ich Wald, frisch aufgewühlte Erde, feuchtes Laub und Wölfe.
Belle konnte zwar meinen Griff nach Richard stoppen, aber nicht verhindern, dass er nach mir griff.
Seine Macht sammelte sich wie eine süß duftende Wolke um mich und stieß die flammenden Augen, den geisterhaften Mund zurück.
Belle lachte, und ich hielt schaudernd den Atem an. Ihr Lachen fühlte sich so gut an, so wunderbar, obwohl mein Verstand schrie, dass es mir schadete.
»Hast du jemanden lachen hören?«, fragte Caleb.
Jason sagte Nein, Nathaniel Ja.
Belles Flüstern streichelte mich, und nicht einmal Richards Kräfte konnten mich von ihrer Stimme befreien. »Wenn dein Wolf dich berühren könnte, würdet ihr mich vielleicht zurückdrängen, aber er ist weit weg. Je näher das Fleisch, desto enger und machtvoller das Band. Du gehörst mir längst, ma petite, du kannst dich nicht mehr von mir befreien.« Die Augen schwebten tiefer herab. Richards Macht stieg über mir auf wie ein Schild, und Belles schwebte darauf wie ein Blatt auf einem Teich, dann sank sie hinein.
»Hilf mir!«, schrie ich zu jedem und niemandem. Nathaniel packte meine Hand, und die Geisterlippen zögerten. Sie wandte sich Nathaniel zu. Ich spürte, wie Belle ihn lockte, es drang mir bis in die Knochen. Der
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