Finsteres Verlangen
nicht zum Zirkus führt. Ich will sie nicht zu Jean-Claude bringen.«
»Fast jedes Monster in St. Louis weiß, wo sein Schlafplatz ist«, wandte Jason ein, wechselte aber die Fahrspur.
»Aber die Kerle hinter uns wissen nicht, dass wir dorthin wollen.«
Achselzuckend zog er noch zwei Fahrspuren weiter nach rechts und blinkte zum Abfahren. Der blaue Jeep war zwei Wagen hinter uns. Er wartete ab, ob wir tatsächlich die Ausfahrt nahmen, dann zog er ebenfalls auf die rechte Spur. Hätten wir nicht eigens darauf geachtet oder wäre ein größeres Fahrzeug zwischen dem fremden und unserem Jeep gewesen, hätte ich ihn nicht abfahren sehen.
»Mist«, sagte ich, und mir war ein wenig wärmer geworden. Es geht nichts über Action, wenn man Boden unter den Füßen braucht.
»Wer sind die Typen?«, fragte Jason.
Caleb blickte über die Schulter. »Warum sollte uns jemand folgen?«
»Journalisten?«, überlegte Jason.
»Das glaube ich nicht«, sagte ich und achtete nur noch auf das dunkelblaue Wagendach, das die anderen Wagen hinter uns überragte.
»Nach rechts oder nach links?«, fragte Jason am Ende der Ausfahrt.
Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Such dir was aus.« Wer waren sie? Warum folgten sie uns? Wenn ich mal einen Verfolger habe, weiß ich normalerweise, mit welcher Sache das zu tun hat. Aber diesmal hatte ich keinen blassen Schimmer. Keine der laufenden Mordermittlungen, an denen ich beteiligt war, gab Anlass für eine Beschattung. Ich wünschte, es wären Journalisten, doch die Situation war eigentlich nicht danach.
Jason bog nach rechts ab. Der Wagen hinter uns bog nach links, der nächste nach rechts ab, und der Jeep folgte uns. Auf den Straßenschildern waren kleine italienische Flaggen, auf denen »The Hill« stand. Die Leute, die dort wohnten, waren stolz auf ihre italienische Herkunft und teilten einem ständig mit, dass man sich in ihrem Stadtteil befand. Selbst die Hydranten waren grün, rot und weiß gestrichen.
Nathaniel hob den Kopf aus meinem Schoß. »Ist es Belle?«
»Was sagst du?«, fragte ich, den Blick auf den Rückspiegel geheftet.
»Sind das Helfer von Belle?«, fragte er ruhig wie immer.
Ich dachte darüber nach. Mir war noch kein Vampir begegnet, der mehr als einen menschlichen Diener hatte, aber manche hatten mehr als einen Renfield. So nannten die amerikanischen Vampire die Menschen, die ihnen nicht aufgrund einer mystischen Verbindung dienten, sondern die ihnen Blut spendeten und selbst gern Vampire wären. Früher, als ich noch Vampire jagte und nicht mit ihnen schlief, hatte ich da keinen Unterschied gesehen. Aber inzwischen kannte ich mich aus.
»Es können Renfields sein.«
»Was ist ein Renfield?«, fragte Caleb. Er saß nach hinten gedreht und blickte auf den Wagen, der zwischen uns und dem blauen Jeep fuhr.
»Dreh dich nach vorn, Caleb. Die sollen nicht mitkriegen, dass wir sie bemerkt haben.«
Er gehorchte augenblicklich ohne Einwand. Ungewöhnlich für ihn. Ich hielt nichts davon, Leute zu bedrohen, damit sie gehorchten, aber es gab welche, bei denen nichts anderes zu wirken schien. Vielleicht gehörte er dazu.
Ich erklärte ihm, was ein Renfield war.
»Wie der Typ in Dracula, der Insekten isst«, meinte Caleb.
»Genau.«
»Witzig«, sagte er und schien das ernst zu meinen.
Ich hatte Jean-Claude mal gefragt, wie sie die Renfields genannt hatten, bevor der Roman von Bram Stoker erschienen war. »Sklaven«, hatte Jean-Claude geantwortet. Das war vielleicht ein Scherz gewesen, aber ich hatte lieber nicht nachgehakt.
Der Wagen hinter uns bog in eine schmale Seitenstraße ein. Der blaue Jeep war plötzlich voll zu sehen. Ich zwang mich, ihn nur über den Rückspiegel zu beobachten, aber es fiel mir schwer. Ich wollte mich umdrehen und hinstarren. Zu wissen, dass ich das nicht tun sollte, machte es umso verlockender.
An dem Jeep war nichts Verdächtiges, auch nicht an den beiden Männern darin. Sie wirkten ordentlich und gepflegt, der Wagen glänzte wie neu. Das einzig Verdächtige war, dass sie noch immer hinter uns fuhren. Dann … bogen sie in eine schmale Einfahrt. Ganz harmlos.
»So was Blödes«, sagte ich.
»Ditto«, sagte Jason. Trotzdem ließ er erleichtert die Schultern sinken.
»Werden wir allmählich paranoid?«, fragte ich.
»Vielleicht«, sagte Jason, blickte aber noch genauso viel in den Rückspiegel wie durch die Windschutzscheibe, als traute er dem Frieden nicht. Ich ebenfalls nicht, und darum sagte ich ihm nicht, er solle nach vorn
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