Finsteres Verlangen
unbehaglich, aber Angst hatte er nicht. Er fürchtete sich weder vor der Polizei noch vor mir oder dem Gefängnis. Er zeigte nicht die Beunruhigung, die den meisten Menschen anzumerken ist, wenn sie von der Polizei vernommen werden. Das war merkwürdig. Bradley hatte gesagt, dass die staatlichen Ermittlungsbehörden Heinrick gehen lassen würden. Vermutete Heinrick das selbst auch – oder wusste er es sogar? Wenn ja, woher? Woher wusste er es? Warum hatte er nicht das kleinste bisschen Angst, eine Strafe absitzen zu müssen?
Ich schlug die oberste Mappe auf. Sie enthielt körnige Fotos alter Tatorte. Frauen, die Van Anders abgeschlachtet hatte, im Ausland, weit weg von hier.
Ich legte ihm die Fotos vor, eine ordentliche Reihe schwarzweißer Schlachthausszenen. Einige waren so schlecht, dass man nicht erraten hätte, menschliche Überreste zu sehen, wenn man es nicht vorher wusste. Van Anders hatte seine Opfer zu Rorschach-Tests verarbeitet.
Heinrick guckte gelangweilt, beinahe angewidert. »Ihre Detective O’Brien hat mir das schon gezeigt. Hat ihre Lügen schon ausgebreitet.«
»Was für Lügen sollen das sein?«, fragte ich. Ich nippte an meinem Kaffee, und er war gar nicht schlecht. Wenigstens war er frisch. Während ich trank, beobachtete ich sein Gesicht.
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Dass hier in der Stadt Morde passiert sind, die aussehen wie diese alten.«
»Was bringt Sie auf die Idee, das wäre gelogen?«
Er setzte zu einer Antwort an, dann schloss er den Mund. Seine Lippen bildeten eine dünne zornige Linie, und er funkelte mich an.
Ich öffnete die zweite Aktenmappe und legte Farbfotos über die alten Schwarzweißaufnahmen. Ich ordnete sie zu einem grellen Todespanorama an und sah, wie alle Farbe aus Heinricks Gesicht wich. Als ich mich wieder hinsetzte, war er fast grau geworden. Ich hatte aufstehen müssen, um die Enden des Tisches zu erreichen und alle Bilder hinlegen zu können.
»Diese Frau wurde vor drei Tagen getötet.« Ich nahm eine weitere Mappe aus dem Aktenstapel. Ich öffnete sie und fächerte die Fotos aus, legte sie aber nicht auf die anderen. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, dass ich die Fotos noch dem richtigen Verbrechen zuordnen könnte, sollten sie durcheinandergeraten. Eigentlich sollten sie auf der Rückseite gekennzeichnet sein, aber ich hatte sie nicht persönlich markiert und wollte kein Risiko eingehen. Wenn man erst einmal vor Gericht steht, sind die Anwälte unglaublich penibel, was das Beweismaterial und dergleichen angeht.
Ich zeigte auf die Fotos. »Diese Frau wurde vor zwei Tagen ermordet.«
Zerbrowski trat vor und gab mir einen Plastikbeutel mit einer Reihe von Polaroidfotos. Ich warf den Beutel über den Tisch, sodass er an Heinrick vorbeischlitterte und er ihn in einem Reflex auffing, ehe er zu Boden fiel. Seine Augen wurden sehr groß, als er das oberste Foto sah.
»Diese Frauen sind gestern Nacht gestorben. Wir nehmen an, dass es zwei Opfer gab, aber wenn ich ehrlich sein soll, haben wir die Fetzen noch nicht komplett zusammengepuzzelt und sind uns nicht hundertprozentig sicher. Es könnten mehr sein, es könnte auch nur eine sein, aber es ist schrecklich viel Blut für nur eine Frau, nicht wahr?«
Heinrick legte den Beutel mit den Polaroids vorsichtig auf den Tisch, sodass er mit den anderen Fotos nicht in Berührung kam. Er starrte auf die vielen Bilder, das Gesicht kalkweiß, die Augen aufgerissen. Er quetschte die Worte hervor. »Was wollen Sie wissen?«
»Wir wollen dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert«, sagte ich.
Er starrte auf die Bilder, als könnte er nicht wegsehen. »Er hatte versprochen, dass er es hier nicht tut, dass er sich unter Kontrolle hat.«
»Wer?«, fragte ich leise. Klar, die staatlichen Stellen hatten ihm einen Namen gegeben, aber das waren die gleichen Stellen, die verschwiegen, wie der Festgenommene im Nachbarraum hieß.
»Van Anders.« Er hauchte den Namen. Er sah auf, und unter seinem Entsetzen entdeckte ich Überraschung. »Ihre Kollegin sagte, Sie wüssten, dass es Van Anders war.«
Toll. Dem Verdächtigen mehr Informationen zu geben, als er einem selbst gibt – das ist erstklassige Arbeit.
Ich zuckte die Achseln. »Ohne Augenzeugen kann man sich nicht sicher sein.«
In seinen Augen leuchtete so etwas wie Hoffnung auf, und er bekam ein wenig Farbe zurück. »Glauben Sie am Ende, es könnte jemand anderer getan haben? Nicht Van Anders?«
Ich blätterte wieder durch die Akten,
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