Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Finsteres Verlangen

Finsteres Verlangen

Titel: Finsteres Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurell K. Hamilton
Vom Netzwerk:
wie dieses Badezimmer, diese Badewanne und diesen … Inhalt. Ich dachte immer, ich helfe der Polizei aus Gerechtigkeitssinn, aus dem Drang, Unschuldige zu schützen, vielleicht sogar, weil ich einen Heldenkomplex habe, aber allmählich geht mir auf, dass ich die Fälle aus ganz eigennützigen Motiven lösen will: damit ich nie wieder einen Tatort wie den begutachten muss, von dem ich gerade komme.

57
    H einrick saß entspannt zurückgelehnt an dem kleinen Tisch, was bei einem Stuhl mit gerader Lehne schwieriger ist, als es aussieht. Sein gut geschnittenes blondes Haar war noch ordentlich, aber er hatte die Brille auf den Tisch gelegt, und ohne sie wirkte sein Gesicht jünger. Nach seiner Akte war er der Vierzig näher als der Dreißig, aber er sah nicht so aus. Er hatte ein unschuldiges Gesicht, und ich wusste, dass es eine Lüge war. Jemand, der über Dreißig ist und noch so unschuldig aussieht, lügt entweder oder ist von der Hand Gottes berührt. Irgendwie bezweifelte ich, dass Leopold Heinrick das Zeug zu einem Heiligen hatte. Das ließ nur einen Schluss übrig – er log. In welcher Hinsicht log er? Das war nun die Frage.
    Vor ihm stand ein Styroporbecher mit Kaffee. Er stand dort schon so lange, dass sich die Milch von der dunklen Flüssigkeit getrennt hatte, und die Oberfläche zierten kleine blasse Strudel.
    Er hob den Kopf, als Zerbrowski und ich hereinkamen. In seinen hellen Augen flackerte etwas auf: Interesse? Neugier? Besorgnis? Der Ausdruck war verschwunden, ehe ich ihn entschlüsseln konnte. Heinrick griff nach seiner Brille, sah mich mit einem leeren, unschuldigen Gesicht an und setzte sie auf. Jetzt sah man ihm sein Alter eher an. Die Brille brach die Linien seines Gesichts und war das Erste, was man an ihm wahrnahm.
    »Wollen Sie eine frische Tasse Kaffee?«, fragte ich ihn, als ich mich hinsetzte. Zerbrowski lehnte sich in Türnähe an die Wand. Zuerst sollte ich Heinrick vernehmen, um zu sehen, ob uns das irgendwo hinführte. Zerbrowski hatte betont, dass ich an der Reihe sei, aber niemand, mich eingeschlossen, wollte, dass ich mit Heinrick allein war. Er hatte mich beschattet, und wir kannten noch immer nicht den Grund dafür. Agent Bradford hatte die Vermutung geäußert, dass es zu einem Plan gehörte, mich für einen finsteren Zweck Tote erwecken zu lassen. Bradford wusste es natürlich nicht sicher. Bis wir es sicher wussten, war Vorsicht angemessen. Mann, Vorsicht war vermutlich immer angemessen.
    »Nein«, sagte Heinrick, »ich möchte keinen Kaffee mehr.«
    Ich hielt einen frischen Becher in der Hand und einen Stapel Akten in der anderen. Ich stellte den Kaffeebecher auf den Tisch und legte demonstrativ langsam den Aktenstapel daneben. Sein Blick huschte zu den Mappen, dann sah er mich ruhig an.
    »Haben Sie zu viel Kaffee getrunken?«, fragte ich.
    »Nein.« Sein Blick war aufmerksam, sein Gesicht ausdruckslos und eine Spur vorsichtig. Etwas machte ihm Gedanken. Waren es die Akten? Es war ein mächtig dicker Stapel. Wir hatten ihn absichtlich so dick gemacht. Unten lagen Akten, die nichts mit Leopold Heinrick, Van Anders oder dem namenlosen Mann zu tun hatten, der auf dem gleichen Flur in einem anderen Verhörraum saß. Eigentlich war es unmöglich, eine Militärdienstakte zu haben, aus der kein Name hervorging, doch der dunkelhaarige Amerikaner hatte es irgendwie geschafft. In seiner Akte war so viel geschwärzt, dass man sie fast nicht lesen konnte. Dass niemand bereit war, seinen Namen zu nennen, obwohl zugegeben wurde, dass er früher in den Streitkräften gedient hatte, wirkte verstörend. Ich fragte mich immer mehr, was mein Land so alles trieb.
    »Möchten Sie etwas anderes trinken?«, fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wir sind vielleicht noch eine Weile hier.«
    »Reden macht durstig«, sagte Zerbrowski hinter mir.
    Heinrick sah kurz zu ihm hin, dann wieder zu mir. »Schweigen nicht.« Er verzog die Lippen. Fast war es ein Lächeln.
    »Wenn Sie uns während dieser Vernehmung irgendwann verraten möchten, weshalb Sie mir gefolgt sind, würde ich das gern hören, aber die Frage ist inzwischen zweitrangig.«
    Er sah mich erstaunt hat. »Als Sie uns angehalten haben, schien es Ihnen aber sehr wichtig zu sein.«
    »Das war es auch, und ich wüsste es immer noch gern, aber die Prioritäten liegen jetzt woanders.«
    Er sah mich stirnrunzelnd an. »Sie treiben Spielchen mit mir, Ms Blake. Aber die bin ich leid.«
    Er zeigte keine Furcht. Er wirkte müde, vorsichtig und

Weitere Kostenlose Bücher