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Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers

Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 01 - Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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die Pergamentrolle an, die harmlos vor ihm lag. Und dann wurde ihm plötzlich flau, besorgniserregend übel.
     
    Die rosafarbenen Satinlaken des herzförmigen Betts knisterten verführerisch, als Maisy die Bettdecke zurückschlug. Sie lächelte geistlos lüstern und fummelte geziert an den oberen Knöpfen ihrer Bluse. Es war eine Fingerübung, gewissermaßen ein Etüde in professionell-amateurhafter Verführungskunst.
    Vlad zog die dunklen Vorhänge zur Seite und blickte hinaus auf den kalten Silbermond, der rund und voll über Guldenburg am Himmel stand. Das Mondlicht fiel ins Zimmer, beschien seine steile Stirn und hob das dünne Haar und den hohen Haaransatz hervor. Seine Haut hatte einen leicht blaßblauen Anflug und bildete einen harten Kontrast zum hochgeschlossenen Kragen seines langen schwarzen Umhangs, der wie ein Paar ledriger Flügel schlaff von den krummen Schultern herabhing. Langsam drehte er sich um, hielt die Hände steil gefaltet vor sich, so daß Fingernagel an Fingernagel lag, ein jeder lang und grau. Wäßrig-bleiche Augen blickten aus verschatteten Augenhöhlen und glitten über Maisys jungen weichen Körper. Eine Augenbraue hob sich in stummer Bewunderung.
    Maisy stand sittsam geziert am Bett und versuchte verlockend jungfräulich auszusehen. Sie hatte es oft und oft geübt. Sie ließ einen seidenen Träger von der Schulter herabgleiten und spitzte hingebungsvoll die Lippen, die genau in jenem Ausmaß befeuchtet waren, daß sich erwachsene Männer bei ihrem Anblick in hoffnungslos sabbernde Wracks verwandelten. Eine Kellerassel zockelte über den Teppich, war auf nächtlicher Reise unterwegs zu einem Ziel, das nur sie allein kannte. Sie knirschte leise unter Vlads Schuhsohle, als er auf Maisy zutrat und sie an den nackten Schultern packte. Lange graue Fingernägel gruben sich in weiches Fleisch. Der Griff wurde fester – Maisy schauderte vor Abscheu.
    »Omeiomei – was hassn du füa kalte Hände!«
    »Domit ich dich bässa packän kann«, flüsterte Vlad und grinste im Mondschein.
    Mühelos hob er die junge Frau hoch und trug sie zum Bett. Sie sank in die weichen warmen Daunenmatratzen. Ihr Keuchen schaltete, sorgfältig berechnet, in den nächsten Gang. Sie war ein Profi, eine echte Professionelle. Fachfrau.
    Vlad öffnete eine kleine Spange an seinem Mantelkragen und warf schwungvoll sein Cape ab. Dann stand er vor Maisy, scharf abgehoben gegen das kalte Licht des Mondes, mit nichts am Leib als einem tückischen Grinsen im Gesicht und einem kompletten Smoking, inklusive Gamaschen. Ein Einstecktüchlein spitzte elegant aus der Brusttasche. Er beugte sich über sie und starrte mit Blicken, die aus grundlosen Tiefen zu kommen schienen, in Maisys große braune Augen.
    »Omeiomei – was hassn du füa große Aug’n!«
    »No – domit ich dich bässa sähän kann!«
    Vlad strich dem Mädchen die Haare vom Hals und leckte sich erwartungs- und unheilvoll die kalten grauen Lippen.
    »Omeiomei – was du füa große Zähne … oh-ha!«
    Blau glitzerte das kalte Licht des Mondes auf zwei rasiermesserscharfen Zähnen, die hinter dem fischblütigen Lächeln der Kreatur sichtbar wurden.
    »Hob keinä Angst, mein Turtälteibchän, es tut kein bissl wäh …«
    Für Maisy war es – wie für viele andere ihres Gewerbes – ganz plötzlich zu spät …
     
    Die Feststimmung lag zusammengeschrumpft wie ein uralter Luftballon und restlos erledigt am Boden. Brütendes, lastendes Schweigen hing über dem Dorf und machte die Feier zu einer Totenwache. Schwerfällig schüttelte der Prospektor den Kopf und reichte müde die Pergamentrolle weiter. Erst hatte er noch gedacht, es handele sich möglicherweise um einen Scherz. Er hatte weitergelesen, aber die geistreiche Pointe, auf die er insgeheim gehofft hatte, sie war nicht gekommen. Statt dessen hatten ihn am Ende des Textes Unterschrift und Siegel des Königs Erdrosselbart von Cranachan entgegenstarrt. Nachdem er fertiggelesen hatte, zog er die Lippen über die Zähne und fing irre zu kichern an. Er wehrte sich dagegen, er wollte nicht wahrhaben, was da stand. Konnte sich nur um einen Schwindel handeln, oder? Er kratzte an dem Siegel herum und bohrte die Finger in das rote Wachs. Die Unterschrift allerdings widersetzte sich hartnäckig, sie ließ sich nicht verschmieren. Erst jetzt gab er auf. Es war tatsächlich wahr. Er zog ein langes Gesicht, die Dorfbewohner standen um ihn herum und zappelten nervös. Er brachte kein Wort über die Lippen. Er konnte es nicht

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