Firkin 02 - Die Frösche des Krieges
infamen Cherub.
Firkin stellte sich auf die Zehenspitzen, hüpfte auf und ab und versuchte verzweifelt, in dem Gewühl den Überblick nicht zu verlieren. Der Tausendfüßler wurde unentwegt größer, immer wieder hängten sich Menschen an ihn an, rannten mit und schlugen erst mit dem linken, dann mit dem rechten Bein aus. Von allen Seiten kamen sie, sausten in manchen Fällen in bereits vorformierten Segmenten wild kreischend an Firkin vorbei und schlossen sich an das hin und herpeitschende Schwanzstück an. Begleitet wurde dieses Gewimmel vom heulenden Pfeifen der Feuerwerkskörper, die das gespenstisch grinsende Gesicht der Festschtimmung bis hoch in die Troposphäre hinaufjagte, wobei ihr buntscheckiges Hütchen blinkte und blinkte und vielfarbige Rauchzeichen aufsteigen ließ.
Ein paarmal sauste Courgette, von der rasenden Meute haltlos vorwärts- und weitergetrieben, an ihm vorbei. Er hörte sie nur, sehen konnte er sie nicht. Genausowenig wie er Hogshead sah. Allmählich machte er sich Sorgen um Dawn. Sie war so klein, konnte in der Menge so leicht zerquetscht werden … Plötzlich packten ihn zwei Hände und rissen ihn mit. Als er herumfuhr und nach hinten sah, hatte er den Geruch von abgestandenem Bier, Käse und Zwiebeln in der Nase. Ein besoffenes Quartett hatte sich ihn gegriffen, trieb ihn johlend und grölend vorwärts und stampfte im Congaschritt zur Mitte des Platzes. Firkin schrie, als er unaufhaltsam durch ein Meer aus Menschen geschleift und geschoben wurde und die Hände an seiner Taille immer fester zupackten. Einen flüchtigen Augenblick lang sah er Courgette: ein Wirbel roter Haare raste in der Gegenrichtung an ihm vorbei. Links und rechts von ihm zogen Menschenmassen in stampfenden Marschkolonnen vorüber. Er wurde scharf herumgerissen und schrie entsetzt auf, als der Rücken eines Vordermannes beängstigend schnell auf ihn zukam. Er hörte ein durchsichtiges furzendes Schnauben, es prustete und gluckste ihm in den Ohren – der vollmundige Beitrag der Festschtimmung. Gleich war es soweit, Firkin würde unweigerlich zerquetscht werden. Hinter ihm schob und stieß die mit vier Mannstärken getriebene Maschine mit unverminderter Kraft weiter, vor ihm verdeckte der stabile Rücken schon beinahe den ganzen Horizont und kam ständig näher und immer näher. Noch näher. Firkin streckte die Arme aus, um auf den unvermeidliche Zusammenstoß vorbereitet zu sein. Dann rasselte er gegen den Rücken des Vordermanns, und seine Hände krallten sich um eine enorm breite Taille. Betäubt von der Wucht des Aufpralls, schüttelte er den Kopf, büschelweise zischten und flitzten Wunderkerzen und fluoreszierende Kondensstreifen bis hoch in die Stratosphäre hinauf – dann wurde er noch tiefer in den irrwitzig wirbelnden Trubel gerissen.
Firkin stand heillose Ängste aus. Sein Gesicht war gegen die Nieren des Kleiderschranks gequetscht, unvorbereitet wurde er immer wieder zum Opfer von Zusammenstößen, die so heftig waren, daß ihm die Luft wegblieb. Beine, Füße, Absätze, alles um ihn herum trat und stieß – ganz genauso wie beim Massenansturm der Schnäppchenjäger im Winterschlußverkauf. Er wurde um immer engere Spitzkehren gehetzt, wurde so fest untergefaßt, daß es ihm beinahe die Arme ausrenkte, und zu immer schnelleren Zwischenspurts angetrieben; wurde in mörderischen Massenkarambolagen wieder abgebremst und von unzähligen wild ausschlagenden Füßen gegen das Schienbein getreten. Und fluchte mordsmäßig, als die Festschtimmung mit gackerndem Lachen um ihn herumsurrte.
Dann wurde er unvermittelt von hinten gestoßen. Er taumelte, bekam die Absätze seines Vordermanns zu spüren und stolperte. Er wollte den Sturz noch abfangen … Es war nicht möglich; zuviel stürmte von hinten auf ihn ein. Plötzlich war alles um ihn her nur mehr noch ein Getümmel aus Armen und Beinen, Absätzen und Fäusten, der kalte harte Boden raste ihm entgegen, und er ging unter in einem Meer von Schuhwerk, ertrank in einem Ozean, in dem sich ein Schuhfetischist wie im siebten Himmel gefühlt hätte. Er wälzte und warf sich auf dem Boden hin und her, um den tretenden und stampfenden Füßen auszuweichen, die aus allen Richtungen nach ihm zielten. Manchmal blitzten Lichtstrahlen über ihm auf und fielen in das finstere trampelnde Chaos, in dem er sich verloren krümmte und wand. Er schrie. Das war das Schlimmste, was er je erlebt hatte: er wurde zu Tode getrampelt, und niemand bemerkte es. Erst im trüben Licht
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