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Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum

Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum

Titel: Firkin 03 - Das Wurmloch ins Biblioversum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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durch den Doppelrahmen des Fensters. Ebenso unerwartet wie unerwünscht schlängelte sich die harte kalte Hand der Angst über die Schultern und fuhr ihm mit knöchernem Finger durch das gestutzte lockige Nackenhaar. Er drehte sich um, sein von Wut und Angst gepeinigter Blick schweifte schwankend und torkelnd im Zimmer umher: Das zweite Bild rückte an das erste heran und tanzte mit schwindelerregendem Gewirbel um es herum. Kharthezsh torkelte richtungslos im Kreis, griff nach der Wand, griff ins Leere und brach vor dem Fensterbrett zusammen. Dielenbretter flogen ihm um den Kopf wie ein hölzerner Wirbelwind. Er stierte durch Ellis-Dee-Dunst und versuchte einen Punkt zu fixieren, irgend etwas, das möglicherweise länger stillstand. Er sah nichts. Nur seine Zukunft, und die sah nicht rosig aus.
    Hoch über dem Reichspalast registrierte die Eule eine Bewegung auf einem Fensterbrett im königlichen Flügel. Eine krapathische Bergmaus kroch unsicher die Mauer hinauf. Das Eulenauge richtete sich auf sie, der Vogel führte blitzschnell eine Kurskorrektur durch und steuerte die Beute an.
    Plötzlich verschwand vor den Augen des Königs der Boden und verwandelte sich in einen schwarzen Tümpel, in dem ein abgründiger Strudel kreiste. Er spürte, wie sich unter der Oberfläche etwas bewegte, wie etwas in der öligen Flüssigkeit nach oben stieg, wie halbkugelförmige Augen ihn anstarrten. Ein riesiges Maul brach durch den schwarz glänzenden Spiegel und spie die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit in den Tümpel – blubbernd trieben sie in dem riesigen schwarzen Loch vor ihm an die Oberfläche. Er schrie. Schrie er? Er glaubte es zumindest.
    Drachen flogen durch die Luft, Trolle drehten sich wirbelnd und schlugen den Marktplatz kurz und klein. Klayth tauchte auf, ganz kurz nur, dann griffen Dutzende von schwarzen Panzerhandschuhen nach ihm und rissen ihn fort. Eine indigoblau gekleidete Gestalt wurde sichtbar, Kharthezsh hörte sie sprechen. »… niederdrücken vom Gewicht der Sorgenlast, die die Herrscherrolle mit sich bringt …«, schrie das grinsende Bild von Bharkleed. »So viele Männer, die Führungspositionen innehaben, leben in entsetzlicher Angst vor dem, was die Zukunft bringen wird … ducken sich feige vor dem Schicksal, schrecken davor zurück wie vor dem Angriff eines Drachen …« Das Gespräch in der Kapelle: Wie eine Flutwelle kam es zurück.
    Hinter ihm zeigten das Scharren von Klauen und ein kurzes Quieken das Ende der krapathischen Bergmaus an. Das Wahrnehmungsvermögen des Königs unternahm den Versuch, auf das flatternde Geräusch am Fenster zu achten. Sein Blickfeld verschwamm, seine Imagination brodelte.
    »… weil Ihr an das Jenseits glaubt …!« brüllte Bharkleeds Bild.
    Flügel schlugen klatschend gegen Glas, die Eule strampelte, um die Bergmaus und den Halt auf dem Fenstersims nicht zu verlieren.
    »… an das Jenseits glaubt …«, hörte er Bharkleed in seinem Kopf kreischen.
    Der Vogel packte das zappelnde Nagetier mit dem Schnabel, drehte sich um und segelte davon.
    König Kharthezsh blinzelte verstört und schüttelte den Kopf: Eben noch hatte ihn der Engel vom Fensterbrett gegrüßt und war dann in orangefarbener Lichtglut verschwunden. Kharthezsh sprang ans Fenster, stieß es auf und schrie: »Warte auf mich! Nimm mich mit …!«
    Gefährlich weit hing er aus dem Fenster, starrte in einen Dunst, den die siebenhundertfache Menge der üblichen illegalen Dosis von Ellis Dees Halluzinogen erzeugt hatte … Der Engel, sein Engel, schwebte in Richtung Lüginsland davon.
     
    Während Merlot im Schneidersitz in einer Zelle tief unten im Cranachischen Reichspalast saß, schlugen und flatterten die zerfetzten Ränder der Gewebebahnen des Raum-Seitlichen Kontinuums und rissen die defekte Stelle immer weiter auf. Noch weiter riß sie, als sich der unermeßliche Druck entlud, den unzählige Märchenerzähler, Poeten und Sagendichter erzeugt und aufrechterhalten hatten, und mit schäumendem Strahl ein Schwall purer Phantasie ausströmte. Figuren, die Ewigkeiten lang mit festen Erzählsträngen sicher in Handlungsgerüste eingebunden gewesen waren, wurden jetzt herausgerissen, entschwanden aus den Gefilden der Fiktion und wurden in die reale Welt geworfen. Editus!
    Firkin trommelte gereizt mit den Fingern und starrte finster in eine Zellenecke, während Hogshead und Courgette dem Zauberer Merlot detailliert zu schildern versuchten, wo sie gewesen waren. Vor allem aber, wo sie wann gewesen

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