Firkin 1: Der Appendix des Zauberers
wartete die bedrängteste aller je in Bedrängnis geratenen Jungfern respektive Maiden auf ihn. Pezzi war sich da völlig sicher: Der Turm war hoch, es zog wie Hechtsuppe – alles perfekt. Er trampelte die dreieckigen Steinstufen hinauf und keuchte vor Anstrengung. Höher und immer höher wand sich die Treppe, höher und immer höher stürmte Pezzi hinauf und kontrollierte en passant jede Tür, an der er vorbeikam. Die Abfolge zersplitterter, zu Klump geschlagener Türen zeigte anschaulich, welchen Weg er genommen hatte.
Zwei Stockwerke höher, noch vier Türen entfernt, starrte eine dürre knochige Gestalt gedankenverloren aus dem Fenster: Swinehunt sah der Taube nach, die er eben auf den Weg geschickt hatte.
»Hoffentlich erstickt Ihr dran«, flüsterte er leise vor sich hin und stellte sich vor, wie seine per Luftpost beförderte Injurie ihrem Ziel entgegenflatterte, stellte sich das Gesicht des cranachischen Königs vor, wenn der …
Plötzlich zerplatzten seine Tagträume wie Seifenblasen: die Wirklichkeit hatte sich zurückgemeldet. Mit donnernden Schlägen. Seine Schultern verkrampften sich. Er horchte.
Das Geräusch von splitterndem Eichenholz hallte dröhnend von unten herauf. Swinehunt wurde starr vor Schreck.
Der Prinz brummelte verärgert – wieder nur ein leeres Zimmer! Er rannte weiter die Wendeltreppe hinauf.
Swinehunt war entsetzt. Und empört! Das waren Schritte! Schritte in meinem Turm, dachte er.
Wieder kapitulierte eine Tür geräuschvoll vor Pezzis Forscherdrang.
Was geht da vor sich? wunderte sich Swinehunt. Schritte! Mein Turm! Wie können sie es wagen … Ich werde ihnen zeigen, was … Ich werde mich darum kümmern …
Die vorletzte Tür. Krachend erlag sie Pezzis wuchtigem Ansturm.
Nur eine Tür noch! ›Entrüstung‹ ließ ›blinder Panik‹ den Vortritt und flüchtete sich in eine Ecke, dicht gefolgt von Swinehunt.
Dichtauf war auch ein Paar Eisenstiefel (Schuhgröße fünfzig, mindestens), in denen der Prinz die letzten Treppenabsätze hinaufpolterte.
Dann: Ende der Treppe, eine verschlossene Tür, die Turmspitze!
Keuchend stand der Prinz auf der letzten Stufe. Da drinnen, dachte er, da drinnen!
Ein Dreifachschloß, massive Eisenscharniere – mit einem Blick (dem Expertenblick des erfahrenen Türenzertrümmerers) hatte er die diesem Modell eigene Belastungs- und Spannungsverteilung erfaßt, seine Schwachpunkte, den kritischen Punkt, und hatte im selben Augenblick auch schon das Moment aus Kraft und Hebelwirkung errechnet, mit dem er auf diesen Punkt einwirken mußte, wollte er eine rasche und vollständige Vernichtung erzielen.
Hinter der Tür suchte Swinehunt verzweifelt nach einer Möglichkeit, wie und wo er sich verstecken konnte. Er wußte, daß er in der Falle saß.
»Aug’nblick noch. Is gleich so soweit!« schrie der Prinz.
Swinehunt erstarrte zur Salzsäule. In seiner Angst faßte er die Ankündigung als Drohung auf. Zwischen den Vogelkäfigen an der Wand entdeckte er eine winzige Lücke. Mochte der Zwischenraum auch noch so schmal sein, in seiner Panik erschien er ihm als Versteck groß genug. Er warf sich in Deckung. Erschrocken rückten die Tauben von dem wild um sich schlagenden Erzkanzler ab. Sie fragten sich, auf jene mild verwunderte Art und Weise, wie sie an geflügelten Wesen so häufig beobachtet werden kann – sie fragten sich, wovor sich der Kanzler denn bloß verstecken wollte.
Blitzartig kam ihnen die Erleuchtung.
Fünf schwere Stiefelschritte – und nach diesem Countdown die Explosion: Die Welt versank in einem wirbelnden Chaos aus Eichenholzsplittern, Scharniereisen, Türschlössern und verdutzten Holzwürmern.
Im Türrahmen stand der Prinz und blickte drohend um sich. Als sich der Staub legte, segelte die eine oder andere Feder sanft schaukelnd zu Boden.
Ansonsten hielt sich alles mucksmäuschenstill. Selbst die Tauben rührten sich nicht.
Swinehunt hatte die Augen geschlossen. So fest geschlossen, wie nie zuvor: Sogar seine Augenklappe schlug Falten. Er steckte zwischen den Käfigen, gut zur Hälfte für jedermann sichtbar, und rechnete fest damit, daß er im nächsten Moment von einer eisernen Faust, die in einem Panzerhandschuh steckte, gepackt würde; daß er – noch schlimmer – spüren würde, wie kalter Stahl in warmes Fleisch eindrang. Entsetzliche Angst erfaßte ihn. Panische Furcht lähmte ihn. Sein Herz setzte aus. Als hätte ihn ein elektrischer Schlag …
»Leck mich! Ein Taub’nschlach!«
Der Prinz sah sich rasch
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