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Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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stürmten.
    »Sie sind in diese Richtung«, gab Merlot zuvorkommend Auskunft und zeigte auf den kleinen Korridor. Die Wachen bedankten sich mit einem Kopfnicken und jagten, ohne das Tempo zu verringern, an ihm vorbei.
    Nach erstaunlich kurzer Zeit schon war der Krach verklungen, den sechs Paar trampelnder Füße verursachten, war von den Schreien wie »Hallo, Moment mal!« oder »Stehenbleiben!« oder sehr häufig auch »Hilfe!« nur noch ein schwaches Echo zu hören.
    »Nun denn, Arbutus«, sagte Merlot, lehnte sich lässig an die Mauer und lauschte auf die rasch leiser werdenden Geräusche, »damit wären wir die erst einmal los. Und jetzt: ans Werk!« Er rieb sich begeistert die Hände.
    »Zu Befehl, Käpt’n!« kreischte Arbutus albern.
    »Wärst du jetzt so freundlich, dich mit der einen oder anderen Taube zu unterhalten …«
     
    König Klayth hielt sich wieder einmal dort auf, wo er sich am liebsten aufhielt – in der Bibliothek – und tat das, was er am liebsten machte: Er las.
    Er saß an einem gewaltigen Lesepult, hatte ein großes Buch aufgeschlagen vor sich liegen und starrte angestrengt auf die Seiten… Es hatte keinen Zweck, er war nicht bei der Sache. Den Kopf in die Hände und die Ellbogen auf den Tisch gestützt, saß er über das Buch gebeugt, kratzte sich am Kopf, starrte zur Decke, trommelte nervös auf die Tischplatte und seufzte tief. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab und wanderten von der Bibliothek hinüber zu den Zehntscheuern. Noch immer konnte er nicht glauben, wie groß sie waren, und noch immer wollte es ihm nicht den Kopf, warum sie leer waren. Er stand auf und wanderte ziellos durch die Bibliothek. Geistesabwesend lief er an Regalreihen entlang, in denen dicht an dicht und hoch bis unter die Decke verstaubte Bücher standen, deren Rücken mit winzigen Titeletiketten beklebt waren. Benommen ließ er sich weitertreiben, nahm aufs Geratewohl den einen oder anderen Band heraus und stellte ihn dann kopfschüttelnd wieder zurück. Schließlich gelangte er in einen Bereich der Bibliothek, in dem erst ein- oder zweimal gewesen war, in die Abteilung ›Register und Verzeichnisse‹. Wie schwarz gewordene Zähne standen hier dickleibige ledergebundene Geschäftsbücher nebeneinander. Er las die Aufkleber auf den alterskrummen Buchrücken, las Aufschriften wie ›Außenstände‹, ›Viehbestand 993 bis 1014 MEZ‹, ›Belegschaft‹.
    Er nahm den Band ›Außenstände‹ aus dem Regal und starrte niedergeschlagen auf die Seiten an der Stelle, wo das Buch sich selbst aufgeschlagen hatte. Er sah seitenweise Kolonnen aus winzigen handschriftlichen Zahlen und am rechten unteren Seitenrand die Summen dieser Zahlenreihen. Bei manchen Zahlen mußte es sich aber um Daten handeln – die Abkürzung ›geb.‹ stand wohl für ›geboren‹. Soviel verstand er nach einiger Zeit, alles andere aber war ihm so unverständlich wie Hieroglyphen. Er brummelte bedrückt, schlug das Konvolut wieder zu und stellte es ins Regal zurück. Dann nahm er sich, aus bloßer Neugier, die Akte ›Belegschaft‹ vor. Der schwere Band öffnete sich auf der Seite mit den Eintragungen zum Geschäftsjahr 1025 MEZ. Klayth sah sich die Eintragungen eine Zeitlang an und versuchte herauszufinden, worum es sich handeln mochte. Wieder waren die Seiten mit langen Kolonnen beschriftet. Doch diesmal waren es kein Zahlen, sondern Wörter, geschrieben mit derselben ordentlichen kleinen Handschrift wie die Ziffern in der Akte ›Außenstände‹. In der Akte ›Belegschaft‹ waren Namen aufgeführt, Adressen, eine Liste mit Tätigkeitsbeschreibungen, Spalten mit Lohnsummen, mit den Daten ›Beginn der Beschäftigung‹ und ›Ende der Beschäftigung‹ und schließlich eine breite Spalte, die Rubrik ›Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses‹. Das Buch interessierte ihn, er nahm es mit und setzte sich an das nächste Lesepult.
    Der Blick in diesen mächtigen Band war wie ein Blick in eine andere Welt. Seitenweise standen dort, in ordentlichen, enggesetzten Zeilen, Listen mit Namen und Adressen, von denen er noch nie gehört hatte. In der dritten Spalte entdeckte er Bezeichnungen, die ihm vollkommen neu waren: ›Stallknecht‹ stand da etwa oder ›Hufschmied‹, ›Schmiedegeselle‹, ›Flickschuster‹, ›Waffenschmied‹, ›Knappe‹, dann ›Dienstmädchen‹, ›Näherin‹, ›Höfling‹ … Ihm wurde schwindlig von diesen vielen neuen Wörtern und Berufsbezeichnungen. Dann wendete er wieder eine Seite um

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