Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
Vom Netzwerk:
er eine ganze Menge zu putzen.
    »Wie lange soll das noch dauern?« fragte die Eule leicht gereizt. Sie war im Moment mit der Reinigung einer ganz verschmutzten Schwungfeder beschäftigt.
    »Äh, wie?« Merlot hatte zwar gehört, daß man ihn etwas gefragt hatte. Er war aber viel zu sehr in seine Lektüre vertieft, als daß er verstanden hätte, was er gefragt worden war.
    »Wie lang dauert’s noch?«
    »Bis ich fertig bin«, raunzte Merlot. »Du hast wirklich keine Ahnung, welch großen Genuß der Umgang mit Büchern bereiten kann.« Dann blickte er auf. Zum ersten Mal seit langer Zeit sah er Arbutus an und fügte – schon wieder ein wenig freundlicher – noch hinzu: »Ganz besonders dieses hier: ein wahrer Leckerbissen!« Ch’tin, der sich eben ein Häppchen genehmigt hatte, konnte nur zustimmen. Es war wirklich ein ganz ausgezeichnetes Buch!
    »Wie schön für dich«, brummelte die Eule und klappte verdrießlich die Flügel zusammen.
    Merlot zog eine Maus aus dem Hut, warf sie Arbutus hin und vertiefte sich wieder in seine Lektüre. »Hör sofort auf damit!« schrie er, als er den Wurm entdeckte. »Das ist Beweismaterial!« Er nahm ihm das Buch weg, speiste ihn mit einem Fetzen Pergament ab und versuchte es aufs neue.
    Ein faszinierender Lesestoff! Der schwere Lederband enthielt eine komplette Aufstellung aller Leute, die jahrelang im Schloß gearbeitet hatten, einschließlich genauer Tätigkeitsbeschreibung und – was besonders bemerkenswert war – einer Darstellung der Gründe, warum sie den Dienst quittiert hatten. Es war das Buch, das auch Klayth studiert hatte. Und alles, was Klayth gefunden hatte, fand jetzt auch Merlot. Die ganze Geschichte war hier dokumentiert – klar und für jedermann deutlich erkennbar hatte hier einer dargelegt, wie hinterhältig er alles eingefädelt, wie perfekt er alles durchgeführt hatte. Beinahe perfekt: Merlot konnte sich nicht genug wundern über die Anmaßung dieses Menschen, der in seiner Dreistigkeit sogar so weit gegangen war, die Chronik seiner Schandtaten mit seinen Initialen zu versehen.
    Swinehunt hatte während der letzten dreißig Jahre die Kündigung von mehr als zweihundert Schloßangestellten veranlaßt und sich so den Posten des Obersten Militärberaters verschafft, den Posten des Obersten Rechnungsführers, Buchhalters und Steuerberaters, den Posten des Erzkanzlers, des Obersten Lehrmeisters etc. pp., um nur einige zu nennen.
    Kurz gesagt: Es war ihm gelungen, die Schloßbelegschaft so zu dirigieren und zu lenken (beziehungsweise sich ihrer zu entledigen), daß es ihm jetzt möglich war, die Politik des Königs auf eine Weise zu steuern, die exakt seinen Wünschen und Vorstellungen entsprach. Es gab niemanden mehr, der sich dagegen verwehrt hätte.
    Aber damit wußte Merlot noch nicht alles, zwei große Fragen waren damit noch nicht beantwortet. Einmal die Frage: Woher war Swinehunt gekommen? Und zweitens: Warum hatte er es darauf angelegt, sich diese übermächtige Stellung zu verschaffen?
    Er wußte allerdings, von wem er Antwort auf diese Fragen erhalten konnte: von Arbutus, der nach seinem Besuch bei den Tauben sicherlich über alles bestens informiert war. Ch’tin sah mit Entsetzen, daß Merlot das Buch wieder in das Regal zurückstellte.
    »Nicht bitte!« winselte er heißhungrig. »Der Magen mir knurrt!«
    Merlot nahm einen harmlosen Liebesroman aus dem Regal, hob Ch’tin auf, steckte ihn zusammen mit dem Schmöker in die Tasche und machte sich auf den Weg zu den Zehntscheuern. »Schmecken dir laß es und verarbeite innerlich es gut, mein kleiner grüner Freund«, sagte er. »Und – bon appetit, wie man so sagt!«
    Arbutus flatterte los und ließ sich sanft auf der euphonischen Schulter des Zauberers nieder.
    »Nun laß mich hören«, sagte Merlot, »was dir deine gefiederten Vettern so alles zu erzählen wußten … Und komm mir bloß nicht mit ›Gru-gru‹!«
     
    Swinehunt plapperte und schwatzte unentwegt und wie aufgezogen. Seine Phantasie war mit ihm durchgegangen, er war getrieben und beflügelt von der Aussicht, den vier Gefangenen, die wie das sprichwörtliche Häufchen Elend vor ihm hertappten, in kurzer Zeit schon empfindliche Qualen zuzufügen. Sie hatten lange Strecken in düsteren Korridoren zurückgelegt, waren Treppen hinuntergestiegen, waren immer wieder gestürzt, weil die Fackeln der Wachen die düsteren Fluchten nur mäßig erhellten … Und immer war es abwärts gegangen, abwärts, abwärts – immer tiefer nach unten.

Weitere Kostenlose Bücher