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Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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bewegte, nur Zentimeter entfernt, lag ein merkwürdiges kleines Instrument, ein raffiniert konstruiertes Gerät, gefertigt aus Drahtstückchen und den Glasböden zweier grüner Bierflaschen. Die Hand stieß dagegen, holte es blitzartig von dem Stein, auf dem es am vergangenen Abend achtlos deponiert worden war, und war sofort wieder verschwunden. Der Wind kam wieder auf, und im Innern des Zelts kam etwas in Bewegung. Und dann – nach einem mühevollen Kampf, nach einer gewaltigen Plackerei, welche die mit ihr verbundenen arthritischen Qualen erahnen ließ – spie das Zelt unter ersichtlich großen Mühen ein kleines, immens schäbiges Männlein aus, das durch etwas hindurchlinste, das einer Brille mit dunkelgrünen Gläsern nicht unähnlich war. Verschlafen kratzte es sich am Kopf und gähnte. Blinzelte ins Morgenlicht, steckte die Hände tief in die Taschen seines schmuddeligen Mantels und seufzte schwer. Es war der Seufzer eines alten und müden Prospektors, der sein Leben mit der erfolglosen Suche nach Gold zugebracht hatte. Er kramte in der Manteltasche und holte heraus, was ihm noch geblieben war. Es war erbärmlich wenig: eine staubtrockene Brotkruste, bröselig wie ein Stück Bimsstein. Sehnsüchtig dachte er an Frühstücksspeck. An kroß gebratenen Frühstücksspeck. Mit Eiern. Er blickte über das öde Tal und spuckte aus.
    Und dann schrie er zum Himmel: »Einen Tag noch! Nur einen einzigen Tag noch! Mir reicht’s!«
    Glück und Erfolg – für den Prospektor hatten sie jedesmal hinter dem nächsten Hügel gelegen, oder gleich da, hinter diesem Felsbrocken, oder dort drüben, in diesem Bach … Nur niemals dort, wo seine Spitzhacke auftraf.
    Nur einmal – ein einziges Mal nur – war es anders gewesen.
    Es lag wohl zwanzig Jahre zurück, als es passierte. Im Vorübergehen hatte er es gesehen, ganz zufällig. In den Bergen, nicht weit von hier, war er tatsächlich auf Gold gestoßen. Er hatte eine Quarzader entdeckt, die sich quer über eine Felswand zog und silbrig-weiß glitzerte und schimmerte. Bis er dann kurz stehenblieb: Kein Glitzern mehr. Das heißt: kein silbrig-weißes Glitzern mehr, sondern … Er blieb genauso stehen, wie er stand, und lehnte sich zurück. Sah sich die silberweißen Glitzerlichter genau an und zählte ab: silberweiß, silberweiß – Gold! Er merkte sich die Stelle, wo der goldene Funke aufgeblitzt war, nahm seine Spitzhacke und rannte auf die gewaltige Felswand zu. Nach ein paar Sekunden hatte er sie gefunden. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, er sah eine ergiebige Hauptader vor sich, die sich meilenweit bis tief ins Innere des Bergs zog, er sah sich Tonnen von Gold fördern, sah sich als Besitzer sagenhafter Reichtümer …
    Er hielt den Atem an, hob die Spitzhacke und schlug zu. Ein Quarzstück, groß wie ein Handteller, löste sich von der Felswand, und auf diesem Quarzstück saß ein winziges Stück Gold. Ungläubig starrte er darauf. Er kniff sich in den Arm, rieb sich die Augen und fluchte ein- oder zweimal. Für alle Fälle. Dann sah er wieder hin.
    Tatsächlich: Hier, in seiner Hand, lag das Element, nach dem er gesucht hatte, der Gral seiner selbstauferlegten Suche, der Stoff, aus dem seine Träume waren. Eigentlich hätte er sich jetzt freuen müssen. Er hätte sich nicht nur freuen müssen, er hätte hingerissen sein müssen, glücklich, glückselig!
    Nun ja – er war es ja auch. Er wäre nur noch erheblich glücklicher gewesen, wenn er ein kleines bißchen mehr gefunden hätte. Nicht viel. Er war nicht habgierig. Aber so, wie es aussah, würde sein Fund allenfalls die Schmelzmenge für einen Ring liefern. Mit ein wenig Dehnen und Strecken vielleicht auch für zwei Ringe. Gerade genug, um – wenn es schon sein mußte – heiraten zu können.
    Er drehte das Stück Quarz in der Hand hin und her und kehrte aus seiner Träumerei wieder in die Wirklichkeit zurück.
    Im Lauf der Jahre war dieses Stückchen Gold, das nicht größer war als die Schuppe eines Schmetterlingsflügels, zu seinem Talisman geworden. Einmal hatte er Gold gefunden. Es war also möglich.
    Dieser Gedanke hatte ihn weitermachen lassen.
    Bis heute.
    Aber die Zeit war nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Er war müde, er hatte die Nase voll, und jetzt – jetzt kam er sich alt vor, uralt. Sorgfältig verstaute er seinen Talisman tief in der schmuddeligen Tasche seines schäbigen Mantels, klappte das Zelt zusammen, schulterte zum letzten Mal Hacke und Bündel und machte sich ein letztes

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