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Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Pflicht, die er sich selbst auferlegt hatte), diesen letzten Nager ins Jenseits zu befördern. Er schwelgte in der Ausübung dieser Pflicht, er spielte sein Spielchen mit dem Publikum, bezauberte es und schlug es in Bann. Er jonglierte mit dem Messer, gab vor, sich einen Finger abzuschneiden, und heuchelte tiefen Schmerz darüber, daß wieder einmal ein bepelztes Lebewesen hinüberwechselte in das große kosmische Laufrad. Sein Publikum konnte nicht genug davon bekommen.
    Dann rauschte tosender Beifall auf – der Prospektor hatte den letzten Schnitt geführt und hielt den glitzernden Balg hoch in die Luft. Es war ein Ritual von urzeitlicher Kraft, ein Ritual, das jedem kundtat: Die Arbeit ist getan. Die Menge rannte auseinander, Tische wurden gerückt, Platz wurde geschaffen, eine Vielzahl bunter Tunken angerichtet und in Streifen geschnittenes Gemüse danebengelegt. Auf wundersame Weise war wie von selbst ein Fest entstanden.
    Aus einer der Hütten wurde eine gewaltige Schüssel geschleppt und vorsichtig auf einen langen Schanktisch gestellt, der auf Böcken stand. Und dann wurde eingeschenkt. Der Prospektor hielt eine kurze Ansprache, die Dörfler brachten Trinksprüche aus und prosteten sich mit ihren Gläsern zu, die randvoll mit Lemmo mit Schuß eingeschenkt waren. Das Fest hatte begonnen.
    Ein ganzes Dorf, eine komplette Arbeitskolonne, streckte am Ende einer im Wortsinn blutig harten Woche metaphorisch gesprochen alle viere von sich und ließ die ebenso metaphorischen fünf gerade sein. Es lief ausgezeichnet. Innerhalb kürzester Zeit stand niemand mehr völlig sicher auf den Beinen. Keiner hörte mehr auf das Gedudel der Musikanten, als unzählige Fässer mit schäumendem Bier angezapft wurden. Der Prospektor lehnte sich (nicht zum ersten Mal!) in seinem Stuhl zurück und grinste stolz. Sehr stolz und glücklich. Die Häute waren abgezogen und hingen in den Trockenöfen, das Bier war angezapft und rann in Strömen durch die Gurgeln (nur ein paar unverbesserlich puritanische Temperenzler standen abseits), jeder genoß das großartige Fest. Was, fragte sich der Prospektor, was kann daran schon unrecht sein?
    Und beinahe im selben Augenblick noch, mit jenem Zeitgefühl, das einen so häufig befällt, wenn man dergleichen das Schicksal herausfordernde Fragen stellt – beinahe im selben Moment wünschte sich der Prospektor, er hätte sich das nicht gefragt. Auf irgendeine Weise hatte seine harmlos unbedachte Selbstzufriedenheit das empfindliche Gleichgewicht des Schicksals nachhaltig zu seinen Ungunsten verlagert – es war ein Vorfall, wie er bekannt ist aus jener Tradition, die einst ein übelwollender Eisberg und ein ›unsinkbares‹ Schiff begründeten. Das bärtige Lächeln des Prospektor erlosch, riß ab wie ein zu lange von der Sonne beschienenes Schneebrett. Ein ehrfürchtig scheues, drückendes Schweigen lief durch die feiernde Menge, die Musik brach stotternd ab, der Bierstrom versickerte, und die ausgelassen feiernde Menge stellte ihr ausgelassenes Feiern ein. Die Dorfbewohner wandten sich um, blickten der näher rückenden Gefahr ins Auge und wichen langsam immer weiter auseinander – wie eine einsame Welle auf einem riesigen Ölteppich, die sich zäh vom Mittelpunkt zum Rand wälzte. Vier gepanzerte Reiter rückten Schritt um Schritt bedrohlich immer weiter vor und spielten vielsagend mit ihren Waffen. Die Masken, die sie vor den Gesichtern trugen, waren wie die ihrer Pferde mit metallenen Knöpfen und Nieten beschlagen. Der Halbkreis, in dem die Menge auseinanderrückte, dehnte sich weiter und immer weiter aus, bis er schließlich wie ein überdehntes Gummiband riß und den Weg freigab. Der Reitertrupp rückte vor und hielt vor einem auf Böcke gestellten niedrigen Tisch, an dem einsam ein kleiner alter Mann saß. Der Prospektor blickte den Reitern, die turmhoch vor ihm aufragten, ins verhüllte Gesicht. Er hatte das sichere Gefühl, daß er sich schon sehr bald wünschen werde, daß das, was jetzt passieren sollte, nie hätte passieren dürfen.
    Eine behandschuhte Hand streckte sich zu ihm herunter und hielt ihm eine Pergamentrolle hin. Der Mund des maskierten Gesichts, zu dem die Hand gehörte, öffnete sich und bellte: »Du hast genau einen Tag Zeit!« Der Lederhandschuh zog sich zurück.
    Die Worte hallten mit unheilvoller Endgültigkeit durch das Tal. Der Reitertrupp machte elegant und militärisch exakt kehrt und ritt davon – schwarz, düster und tödlich still.
    Der Prospektor starrte

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