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Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Firkin 1: Der Appendix des Zauberers

Titel: Firkin 1: Der Appendix des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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glauben.
    Er sah es genau vor sich. Vor seinem geistigen Auge sah er seine Zukunft im Sturzflug nach unten gehen. Der Magen drehte sich ihm um, der Steuerknüppel klemmte, die Motoren heulten, und der Boden, dieser riesige, furchterregend solide Boden raste ihm immer schneller entgegen. Mit zitternden Händen griff er nach dem Gashebel und packte, die Fingerknöchel weiß vor Entsetzen, den Steuerknüppel. Irre kreischte es in stummen synaptischen Spalten, als er hart an ihm riß. Als sich das Querruder der Inspiration aufstellte, zerriß ihn beinahe der harte Ruck, mit dem sich Depression und panische Angst der Bewegungsänderung widersetzen wollten. Er zog wieder. Noch fester diesmal. Der Erdboden vor ihm sackte unmerklich ein kleines Stück nach unten. Und wieder ziehen und festhalten. Hart bissen die Zähne aufeinander, an Wangen und Kiefer standen Muskelstränge vor. Langsam und gegen alle Wahrscheinlichkeit – noch hallte in seinem geistigen Ohr das häßliche Geräusch sich verformenden Metalls – zog er hoch und fing den Sturzflug ab. Und dann leuchtete klar und blau ein winziger genialischer Funke über ihm auf und stand strahlend und hell glänzend vor den dunklen Wolken des Verderbens. Er biß die Zähne zusammen, zielte mitten ins Schwarze und gab Gas.
    »O nein! Das werden sie nicht!« schrie er. »Kommt überhaupt nicht in Frage!«
    Das versammelte Dorf sah den alten Prospektor, der wütend vor sich hinbrüllte, verwundert an.
    »Ausgeschlossen. Auf keinen Fall. Für wen, zum Teufel, halten die sich eigentlich? Meine Lemmingfelle! Meine – nicht ihre!«
    Von heftiger Erregung geschüttelt, stand er auf, setzte sich die flaschengrüne Brille auf die Nase und stürmte zum Trockenschuppen.
    »Steht nicht einfach so rum!« schrie er über die Schulter zurück. »Macht schon! Wir haben zu tun!«
     
    Weit von diesem Schauplatz entfernt, in einer der zahllosen Seitenstraßen von Guldenburg, schleppte sich eine bleiche, krumme Gestalt im Mondschatten dahin. Sie trat nach einem Hund, der vor ihren Füßen dahintorkelte, und fluchte enttäuscht und angeekelt, als sie nicht traf. Sie zog den schwarzen Umhang fester um sich und starrte zum Mond hinauf.
    Där Mond, dachte sie für sich, ich folgä dem Mond. Ainmal im Monat packt mich där Drang, und ainmal im Monat folgä ich ihm. Iss immär dos gleichä. No, dos Mädl iss viellaicht net immer dos gleichä, oba wos passiert, iss immer dos gleichä: Ma fummelt wie verrickt, dann a bissl knabbern, dann der flichtige Augenblick der Lust, diesäs warmä, kläbrige Gäfihl … oba dann? ›Värzeihunk, mein Lieblink, oba jetz muß ich wieda waitafliegn.‹ Wos hob ich davon? Es muß doch noch mehr gebn im Läben … No, natirlich – viellaicht bin ich jo, wenn man’s wärtlich nähmen will, nicht direkt läbändik, oba wän interessiert dos schon? Äs gäht ums Prinzip, wenn Sie värstähän, wos ich meinä. Läbänsqualität – dos gilt auch fir die … no ja … fir die Untotän äbän.
    Es war mitten in der Nacht. Alles war totenstill, nur der Magen des Untoten knurrte hörbar. Vlad brauchte etwas Gehaltvolles, Festnahrung. Tief deprimiert steuerte er die flimmernden Neonlichter eines kleinen Restaurants in einer Seitenstraße an.
     
    Wenige Straßen weiter warf sich Maisy, Mitglied einer Elitegruppe von Fachfrauen, bekannt unter dem Namen Die Guldschätzchen von Guldenburg unruhig im Bett hin und her. Die rosafarbenen Bettücher knisterten leise, wenn sie sich von einer Seite auf die andere wälzte. Ihr letzter nächtlicher Besucher hatte ihr am Hals sein Andenken hinterlassen: zwei kleine Flecken getrockneten Blutes. Ein schäbiges Andenken.
    Am Morgen würde sie sich ein wenig müder fühlen als sonst, ein wenig benommener, ein kleines bißchen anämisch und sehr, sehr hungrig. Doch das würde bald wieder vorübergehen.
    Wie alle anderen würde auch sie sich nicht im geringsten mehr an Vlad Langschwein erinnern.
     
    Schon früh am Morgen danach saß Vizehauptmann Schikaneder, Rittmeister der 6. Division der Cranachischen Reichsgarde, hoch auf seinem Roß, das seinerseits hoch oben an der Grenze zu Isolon stand. Schikaneder schnupperte die frische krapathische Bergluft und hustete bellend. Sein Pferd kaute ein Maulvoll mageres Gras. »Trup«, brüllte Schikaneder dröhnend, »was hab ich dir zum Thema ›Rauchen im Dienst‹ gesagt? Los, ausmachen!«
    Unteroffizier Trup sah sich verwirrt um.
    »Bist du taub?« bellte Barak. »Ausmachen! Auf der

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