Firkin 2: Die Frösche des Krieges
versuchen, sie aufzuhalten, nur weil Sie uns in einer Wahrsagerkugel gesehen haben …«
»In einem Präkognitionssphäroid!« berichtigte Praxx mit Nachdruck.
»… und wissen immer noch nicht, hinter was wir eigentlich her sind!« redete Hogshead weiter. »Wir sind verloren! Ich sag’s euch, wir sind verloren!«
Es wurde still im Zimmer nach Hogsheads Ausbruch, unheimlich still. Alle empfanden wie er den immer stärker werdenden Druck. Plötzlich sprang Praxx vom Stuhl auf, rannte durchs Zimmer und fing an, die Regale zu durchsuchen. »Aber natürlich!« schrie er. »Warum hab ich nicht schon früher daran gedacht? Eindeutig!« Er schob den Käfig mit dem kleinen Tier, das halb Säuger, halb Reptil war, zur Seite. Das lebende Fossil war grämig, weil man es aufgeweckt hatte, und biß einer Gottesanbeterin umgehend den Kopf ab. Praxx wühlte weiter. »Es muß hier irgendwo sein, es muß!«
»Was sucht er denn?« flüsterte Firkin.
Courgette zuckte die Achseln und sah genauso verstört drein wie er. Hogshead machte, etwa in Höhe der Schläfe, eine kreisende Bewegung mit dem Zeigefinger. Dawn lächelte blöde. »Ha! Da ist es!« schrie Praxx. Er holte ein großes Buch vom obersten Regalbrett und blies hustend den Staub ab, der sich in vielen Jahren darauf angesammelt hatte. »Dann wollen wir doch mal«, murmelte er abwesend und blätterte. »1033, 1028, 1012, hoppla, zu weit.« Er blätterte wieder zurück: »1025, na also. Und jetzt, äh, J, K, L, Legende, Legislative, Lemming – schon gefunden!« Der Eintrag in dem Almanach schien ihn zu verblüffen.
»Und? Was steht da?« wollte Courgette wissen.
»›Lemming. Kleines Nagetier (Wandertier), geschätzt wegen seines weichen gelblichen Fells. Vgl. auch Zweieinhalb-Minutenkrieg. ‹«
Praxx suchte auf der Stelle weiter, bis er die Seite ›Z‹ gefunden hatte.
»Aha! ›Zweieinhalb-Minutenkrieg (ugs.). Bezeichnung für ein unblutiges Grenzgeplänkel zwischen Isolon und Cranachan. Angeblich ausgelöst durch Kontroverse über Besitzrechtsfragen im Lemmingpelz-Geschäft. Sieger: Cranachan. Vgl. auch August-Strategie und Genever-Konvention …‹ Oh!«
»Lemminge?« fragte Firkin ungläubig. »Sie haben wegen Lemmingen Krieg geführt?«
»Mal was anderes als Religion«, sinnierte Praxx und tippte sich ans Kinn.
Hogsheads Stirn legte sich beinahe knirschend in Falten, sosehr konzentrierte er sich. Er zermarterte sich das Gehirn, um etwas zu fassen zu bekommen, das, wie er glaubte, ganz bestimmt eine Information von entscheidender Bedeutung war.
»Erinnert ihr euch an Swinehunt?« fragte er dann unvermittelt. Seine Augen strahlten wie ein Wissenschaftler, der kurz vor einer Entdeckung steht. »Woher ist er gekommen?«
»Von Schloß Isolon«, antwortete Dawn, die unbedingt einen aufgeweckten Eindruck machen wollte.
»Nein, nein, nein. Davor«, sagte Hogshead mit Nachdruck.
Dawn zog ein Gesicht.
»Ja, natürlich! Die ganze Zeit schon liegt es direkt vor unserer Nase!« Firkin hatte verstanden, was Hogshead meinte. Die schrecklichen Ereignisse in Schloß Isolon, vor acht Monaten erst – jetzt fiel es ihm wieder ein.
»Was?« fragte Praxx. »Sag’s schon!«
Firkin wandte sich um und blickte ihn mit versteinerter Miene an. »Fisk und Swinehunt sind ein und dieselbe Person. Er war ein cranachischer Spion. Er kam nach dem Krieg im Jahr 1028 MEZ nach Isolon und hat König Klayth für die Ziele der Cranachier benutzt.«
»Ja und?« Praxx war verwirrt, Firkins Enthüllung sagte ihm offenbar nichts.
»Nach dem Krieg!« betonte Firkin. »Verstehen Sie nicht? Das ist die Verbindung! Wir müssen dafür sorgen, daß der Krieg niemals stattgefunden hat!« Er sagte es, als verkünde er ein Todesurteil.
»Und dafür haben wir gerade noch zweieinhalb Tage Zeit!« stellte Praxx düster fest.
»Ich denke, wir brauchen einen Plan«, sagte Courgette. »Hat vielleicht jemand eine glänzende Idee?«
Angetrieben vom Nordwind, tanzte und tollte ein leichter Schneeschauer durch die Felsspalten und Abgründe der Krapathen. Er sprang über einen schartigen Gipfel und rollte sorglos und ausgelassen die steilen schneebedeckten Geröllhalden des Piz Akalzoneh hinunter. Stürzte weiter, wirbelte und kreiselte um den massigen Sockel des Piz Arretschina, durch den Foh-Paß und hielt urplötzlich und jählings an. Seine eisige Nase klebte an einer soliden schwarzen Fläche – wie eine gefrorene Fliege an einer getönten Windschutzscheibe. Der kahle graue Granit der kalten Berge
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