Firkin 2: Die Frösche des Krieges
doch jeder eine Botschaft verfassen und sie als Nachricht des Königs ausgeben, oder? Woran sieht man denn, daß eine Anordnung oder ein Befehl wirklich vom König verfaßt ist?«
Praxx blickte Courgette an. Es kam ihm vor, als wäre ihr wirklich etwas ›Brauchbares‹ eingefallen.
»An der Unterschrift«, schlug Hogshead vor.
»Noch genauer. Es ist etwas, das es nur einmal gibt. Und das auf jedem Brief, auf jedem Dokument verwendet wird.«
Praxx wartete gespannt. Kein Zweifel, sie hatte es. Er sah es an ihrem Blick.
»Ich hab keine Ahnung«, stöhnte Firkin. »Aber du wirst es uns sicher gleich sagen.«
»Ein Siegel.«
»Hervorragend!« Praxx war begeistert. »Wir könnten also nicht nur verhindern, daß Nachrichten ankommen – wir könnten gefälschte Nachrichten verschicken! Wunderbar!«
Hogshead hob bedächtig die Hand. »Es täte mir außerordentlich leid, wenn ich mit meiner Zwischenfrage Wasser in den Wein der so begeistert geführten Strategiedebatte gießen sollte, aber … kann mir eigentlich einer sagen, wie dieses Ding aussieht?«
»Ich nehme an, es handelt sich um einen Ring«, erklärte Praxx bemerkenswert gelassen. »Er trägt ihn vermutlich immer am Finger.«
»Und wie sollen wir ihm – vorausgesetzt wir kommen jemals so nahe an ihn heran – den Ring vom Finger ziehen?« seufzte Hogshead. Und setzte leise hinzu: »Wird ja immer toller.«
»Wenn er schläft«, schlug Dawn vor.
»Wenn er in der Badewanne sitzt«, sagte Courgette.
»Wir könnten ihm den Finger abhacken« – so der sinnreiche Vorschlag, den Firkin beizutragen hatte.
»…und wie soll der, der den Ring stiehlt, anschließend fliehen? Es würde wahrscheinlich nicht lange dauern, bis der Diebstahl entdeckt wird.« Hogshead dachte daran, wie verärgert Turgg Enjeff gewesen war. Und damals hatten sie sich nur informieren wollen.
Es muß etwas sein, überlegte er, das nur schwer zu fangen ist. Eine Maus zum Beispiel… Nein. Tritt man zu leicht drauf, könnte eine Mordsaufregung verursachen … Ein Ring … Irgend etwas, das einen Ring transportieren kann … Ein Tier, das Dinge tragen kann … Esel … Nein … Elefant … Blödsinn! Ein Tier, das man in Schlössern häufig findet … Wie wäre es mit …? Richtig!
»Wir könnten ihn wegen Diebstahls anklagen und ihm dann die ganze Hand abhacken«, führte Firkin aus.
»Nein«, sagte Hogshead nach einer Weile. »Wie wäre es mit Vögeln? Könnten Sie da machen? Uns als Vögel zurückschicken? Dann würde uns keiner kennen, und wir könnten leicht fliehen.«
»Ich weiß eigentlich nicht, was dagegen spräche.« Praxx blickte Apathos an. »Ich müßte natürlich das chronomorphogenetische Feld entsprechend adjustieren… Aber das dürfte keine größeren Probleme verursachen. Müßte eigentlich möglich sein.« Apathos hoffte nur, daß die Schicksalsröhre das aushielt.
»Dann wäre das also geregelt«, sagte Courgette. »An die Arbeit!«
Wenige Minuten später, vierzehn Jahre vor dieser Beratung und etwa einen Meter über dem Fußboden drang langsam ein kleiner eisblauer Nebelstreif in eines der Privatgemächer von König Erdrosselbart ein. Es sah aus, als hätte ein unsichtbarer Privatdetektiv, der das Zimmer observierte und einen durchsichtigen Panamahut trug, eine kleine Wolke Zigarettenrauch in die Luft geblasen. Zwei, drei Lungenzüge später schwebten einen Augenblick lang zwei Jungen an dieser Stelle und stürzten dann, nachdem die Finger der Gravitation zugepackt hatten, zu Boden. Und als sich die blaue Dunstwolke allmählich auflöste, kündete ein glitschendes, huschendes Geraschel das Verschwinden der Jungen an – an ihrer Stelle erschienen noch im selben Moment (in dem Augenblick, als das sekundäre chronomorphogenetische Feld wirksam wurde) zwei ganz gewöhnliche Tauben. Firkin stand auf beunruhigend spindeldürren Beinen und sah sich im Zimmer um. Seine Augen, die jetzt seitlich am Kopf saßen, verzogen die Ränder des Blickfelds wie Fischaugenobjektive, er befürchte, der Schädel könne ihm zerplatzen.
Das Zimmer war groß und eindrucksvoll ausgestattet. Firkin sah ein gewaltiges Himmelbett und mehrere große Truhen, in denen die Amts- und Festgewänder des Königs aufbewahrt waren. Vier paarweise angeordnete hohe Bogenfenster ermöglichten einen einmaligen Ausblick auf den Innenhof und das Gebirge in der Ferne, das alles bot, was der erholungssuchende Wintersportler brauchte, ob er nun Skifahrer, Bobfahrer oder Hasenjäger war. Auf zwei robusten
Weitere Kostenlose Bücher