Firkin 2: Die Frösche des Krieges
Holztischen lagen unzählige Pergamente, Dokumente und Landkarten. Das Zimmer hatte zwei Türen. Die eine, schwer befestigt und armiert, führte in den Korridor und über diesen in die anderen Räumlichkeiten des Palastes, die zweite in die königlichen Sanitäreinrichtungen – in einen kleinen Raum, in dem sich alles befand, was erforderlich war, um einen königlichen Leib und Kopf zu pflegen und instand zu halten, auch dann, wenn jedermann rundum vor allem den letzteren verlor. Im Augenblick wallten Dampfschwaden aus diesem Raum, der König wälzte sich schwelgerisch in seinem Monatsbad. Was Körperpflege betraf, so stand König Erdrosselbart in dem Ruf, ein wenig exzentrisch zu sein. Er war dafür bekannt, daß er auf dem Genuß seines monatlichen Bades bestand, ganz gleich, ob es nun nötig war oder nicht.
»Seid Ihr es, Fisk?« klang es dumpf aus dem Baderaum. Der König hatte das Geräusch gehört, mit dem zwei Jungen aus einer Höhe von etwa einem Meter auf die harten Fliesen geplumpst waren. König Erdrosselbart hielt Monatsversammlungen häufig im Bad ab; er war der Ansicht, das befördere die Denkarbeit. Jetzt erwartete er jeden Augenblick seinen Innenminister, mit dem er über die Kosten des bevorstehenden Kriegs mit Isolon sprechen wollte; beziehungsweise darüber, ob und wenn ja welche Planungen es gab, besagte Kosten durch die enormen Gewinne auszugleichen, die man aus der Monopolisierung des Lemmingpelzhandels erzielen wollte. Er selbst rechnete damit, daß erst die dritte Produktionssaison nennenswerte Gewinne bringen werde. Kriegführen war teuer – aber das waren Pelzmäntel schließlich auch. Er hatte sich die Belege und Kostenrechnungen diverser kriegerischer Unternehmungen und militärischer Einsätze der jüngsten Zeit lange und genau angesehen und die Möglichkeiten einer Kostenreduzierung geprüft. Er hatte die Ausgaben für Waffen, Kriegsmaschinen, Informationsbeschaffung, Sold, den Ersatz von Waffen etc. pp. verglichen und war dabei zu einem verblüffenden Ergebnis gekommen: Der größte Ausgabenposten jeder militärischen Operation war die Truppenverpflegung. Hatte eine Armee irgendwo im Freien ein Nachtlager errichtet, dann konnte man ihr nicht mehr nur Büfettversorgung und Essen-im-Stehen anbieten. Aber ein gesetztes Essen für sechs Züge, drei Bataillone, achtzehn Kavallerieschwadronen… es war schon erstaunlich, wie schnell da so einiges zusammenkam.
»Fisk! Seid Ihr das? Hört schon auf, da draußen rumzuzittern und kommt endlich rein! Ihr habt Euch verspätet!« dröhnte die Stimme des Königs.
Der Tauberer Firkin stelzte mit hängenden Flügeln über den Boden. Er setzte eine Taubenkralle unsicher einen Schritt nach vorn, kreischte entsetzt auf und wäre beinahe umgefallen. Wenn er das Bein bewegte, schnellte der Hals merkwürdig ruckend und pickend nach vorn. Zittrig setzte er die Kralle wieder auf den Boden und blickte sich verwirrt und bestürzt um. Dann versuchte er es noch einmal. Er hob die Kralle an und bewegte sie langsam vor den Augen. Genauso langsam, aber unerbittlich reckten sich Hals und Kopf. Es war, als wären die Sehnen, die die Beine bewegten, mit dem anderen Ende am Hals angeschlossen – jeder Fußbewegung entsprach eine ähnliche Kopfbewegung. Er gurrte verdrießlich, als ihm klar wurde, daß Tauben eben unglücklicherweise so gebaut waren. Hogshead versuchte es ebenfalls mit dem Gehen – auch er entdeckte dabei diese grausame List der Natur. Kein Wunder, daß Tauben immer so unglücklich aussahen.
»Fisk! Was treibt Ihr eigentlich da draußen?«
Mit viel Gegurr und Ruckedigu brachte Firkin seinen Ärger darüber zum Ausdruck, wie schwer es war, zu gehen und gleichzeitig den Blick auf etwas zu richten. Aber schließlich schaffte er es doch und erreichte den nächstgelegenen Schreibtisch. Turmhoch ragte er vor ihm auf. Wohin er auch sah, überall standen unersteigbare Wolkenkratzer: Kommoden und Schränke, die Griffe unerreichbar hoch oben. Es gab nur eine Möglichkeit, da hinaufzukommen.
»Fisk!«
Aufgeregt breitete er die Flügel aus. Er blickte auf die zwei Flächen aus grauen Federn und empfand tatsächlich etwas wie Stolz, als er feststellte, wie mühelos sie sich auf sein Kommando hin spannten und spreiteten. Die Spannweite seiner neuerworbenen Tragflächen war erheblich größer, als die seiner Arme jemals gewesen war – wenn er einmal einen Moment lang nicht daran dachte, sackten sie ab und hingen bis auf den Boden hinunter. Er wußte
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