Firkin 3: Das Wurmloch ins Biblioversum
stark sein, mußte ihre Weiblichkeit einsetzen, allzu lange hatte sie gelitten …
Es war beinahe so, als sollten ihre stummen Bitten erhört werden: Mit einem scharfen, schwirrenden Geräusch fuhr genau zwischen ihren Knien eine stählerne Klinge in den Boden und blieb zitternd – beinahe so stark zitternd wie sie selbst – stecken. Mit großen, ungläubigen Augen starrte Courgette das hin und her pendelnde Kreuz aus Metall an. Runen, die Uraltes bedeuteten, glühten auf der Klinge von Exhibitur, dem Schwert, das sich mittlerweile – wäre alles mit rechten Dingen zugegangen – im Besitz von König Halva hätte befinden müssen, dem rechtmäßigen Herrscher aller Königreiche.
Courgette war fassungslos. Ein Schwert! Wie ein Geschenk des Himmels war es von demselben gefallen! Gerade jetzt, wo sie Lenkung und Leitung so dringend brauchte! Es war ein Zeichen! Es konnte nur ein Zeichen sein! Es war ein ein Meter zwanzig langer metallener Richtungsweiser, der ihr zeigen würde, was sie zu tun hatte. Sie war aufgewühlt, das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie zwang sich, ruhig zu bleiben, ganz ruhig … Es ging nicht. Wozu auch! wummerte ihr Herz. Schließlich fällt nicht jeden Tag ein Schwert vom Himmel! Und es legte noch ein paar Takte zu.
Courgette wischte sich die Tränen aus den Augen, stand auf und packte das Heft. Wieder klopfte ihr Herz, doch diesmal ermutigend, mit herzlichem Einfühlungsvermögen.
Hinter dem Wurzelgewirr am Fuße eines großen Baums lugte ein Spatz hervor, blinzelte und schüttelte heillos verwirrt den Kopf.
Es war ein eigenartiges, ein sehr sonderbares Gefühl, das Courgette empfand, als ihre Finger den Griff umfaßten. Plötzlich entströmte (wie das geschehen konnte, sollte sie nie erfahren) dem fiktionalen Schwert eine verborgene Kraft, und unvermittelt kamen ihr Worte und Wendungen wie Hieb und Parade und in Stücke hauen in den Sinn. Ein Leuchten ging über ihr Gesicht, sie strahlte, wie ein armes Großmütterchen gestrahlt haben würde, wenn man ihm ein nach den neuesten Erkenntnissen der Waffentechnologie konstruiertes Gewehr (Plasmastromzündung, lasergesteuerte Zielautomatik) in die Hand gedrückt, damit auf jene Saubande jugendlicher Rabauken, die ihm in letzter Zeit das Leben so sauer gemacht hatten, gezielt und dann gesagt hätte: »Schau, Oma: Hier ist der Abzug. Viel Spaß!«
Courgette wuchtete das Schwert aus dem Boden, hob es mühsam hoch und richtete die schimmernde Klinge gen Himmel. Und als die Strahlen der Sonne durch das weiße Gewölk brachen und die Waldlichtung erleuchteten, da fielen sie auf eine Gestalt, die mit einemmal stark und mächtig geworden war, stolz und achtunggebietend. Die goldene Lichtflut illuminierte den faszinierenden Vorgang einer erstaunlichen Verwandlung: Sie lag schimmernd auf Courgettes Kinn, das sich entschlossen reckte, strahlte von ihren Schultern zurück, die sich streckten und kräftigten, glitzerte auf ihren Schenkeln, die plötzlich fest und beeindruckend muskulär geformt waren.
»Fürwahr!« rief sie aus, und ihre Stimme klang eine volle Oktave tiefer, »’s ist wahrlich ein Zeichen! So will ich denn dies Schwert ergreifen, zum Kampf für die gerechte Sache!«
Sie überlegte kurz. Ich trage ein Schwert, dachte sie. Ich muß also ein Ritter sein. Mehr noch: Eine RitterIn! Die erste RitterIn der Frauenwelt!
»Ich, Courgette, führe den bewaffneten Kampf für die gerechte Sache! Eine Bewegung will ich gründen«, schrie sie, »und deren Farben sollen sein…« Sie blickte sich um, betrachtete die Blumen auf der Lichtung (in ihren Augen glühte ein Feuer, eine nie gekannte Leidenschaft, Trotz und Widerspruchsgeist – sollte irgend jemand versuchen, ihr Steine in den Weg legen zu wollen, sie würde umgehend … würde … würde sich umgehend an das nächstbeste Eisengitter anketten … ganz bestimmt würde sie das!). »… sollen sein Purpurrot und Weiß und Grün. Und die Parole soll sein …« Sie schwang Exhibitur hoch über dem Kopf, schwang es in immer weiter ausholenden Kreisen, und die Macht des Schwertes nahm zu und ging auf sie über. »Immer und ewig: die Frauen!«
Courgette hatte sich verwandelt. Aus dem Püppchen mit dem klatschmohnroten Haar war eine Heroine geworden.
»Immer und ewig: die Frauen!«
Nachdem er sich heimlich durch einen Seiteneingang auf den Exekutionsplatz von Schloß Isolon geschlichen und herauszufinden versucht hatte, ob ein Fahrender Zauberer eventuell Feindseligkeiten gewärtigen mußte,
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