Firkin 3: Das Wurmloch ins Biblioversum
machte sich Whintz an die Arbeit und schlug seine Bude auf. Er steckte Zeltstangen zusammen, rückte Regalbretter zurecht und brachte schließlich an der Firstseite eine Werbetafel an, auf der er seine Dienste und Leistungen anpries: parakosmische Flickschusterei, magische Scherenschleiferei, thaumare Warzenbesprechung. Alle Zaubertränklein mit Garantieschein, Salben dergl. Zum Schluß plazierte er noch seine diversen Phiolen und Fläschchen auf den Regalbrettern. Und dann wartete er.
Lange konnte es nicht mehr dauern, bis sich die erwarteten Menschenmassen an diesem Treffpunkt einfinden würden. Whintz blickte zum Himmel. Er hatte eigentlich geglaubt, es müßte jeden Augenblick donnern; hatte gedacht, der Himmel hinge voll schwerer, dunkler Wolken, die sich im nächsten Augenblick entladen und alles unter ihnen ertränken würden. Aber der Himmel war strahlend blau. Whintz kratzte sich den Kopf, dann den Handrücken – es juckte ihn am ganzen Körper.
Eine halbe Meile von diesem Ort entfernt, tief unter der Erde in den Kerkern von Schloß Isolon, saßen drei Kinder, die es ebenfalls am ganzen Körper juckte. Sie kratzten sich zerstreut. Sie führten den Juckreiz auf die feuchten Gefängniszellen zurück, in denen es von Ungeziefer wimmelte. Und auf die Tatsache, daß sie schon sehr bald spüren würden, wie sich eine Schlinge um ihren Hals zusammenzog.
Hätte Hogshead einen Blick in das ausgehöhlte Buch geworfen, das in seiner Rocktasche steckte, dann hätte es ihm vielleicht gedämmert, daß ihnen etwas bevorstehen könnte, das noch schlimmer war als ihre baldige Hinrichtung durch den Strang.
Während Whintz vor den ordentlich in Reihe aufgestellten Galgen seine Bude aufgeschlagen hatte, waren im Gewebe der schwarzen Strümpfe der Realität acht weitere Fäden gerissen und hatten damit die Laufmasche vergrößert, die jetzt immer schneller auf die elegant geschwungene Fessel des Schicksals zulief.
In einem winzigen, trüb beleuchteten und rauchgeschwängerten Zimmer in Cranachan hockten drei Gestalten über einem Haufen von Pergamenten und Landkarten. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und debattierten konzentriert, leise und flüsternd den aktuellen Stand ihrer Bemühungen.
»Und wie steht es hier?« fragte der größte und zeigte auf ein Gebiet in unmittelbarer Nachbarschaft des Palastes. »Wie viele sind es hier?«
»Nur zwölf«, antwortete der kleine Dicke.
»Aber das sind die, die wir brauchen! Hier steckt das große Geld!«
»Tut es nicht«, widersprach Seine Emolienz, S.H.A. Wenzl der Maßlos Gesalbte. »Ich zeig dir, wo das große Geld zu finden ist. Wir müssen …«
Es klopfte an die Tür.
Seine Eminenz, Bharkleed der Leidenschaftlich Exaltierte, starrte wütend in dem winzigen angemieteten Zimmer herum, und für einen Augenblick flackerte panischer Schrecken in seinem Gesicht auf. Dann blickte er wieder auf den Stapel mit den Bescheinigungen zum Nachweis des Bedingungslosen Glaubens und schließlich zur Tür.
»Verstecken! Schnell!« fuhr er Flaezz an und schob ihm den Papierhaufen hin. »Das darf keiner sehen!«
»Moment noch, bitte«, rief er zur Tür und tat sein Bestes, um so andächtig wie möglich zu klingen. Wie sag ich’s bloß meiner Zimmerwirtin? ging es ihm durch den Kopf, und seine Stirn furchte sich wie ein frischgepflügter Acker.
»Los, anzünden!« flüsterte er und warf Bruder Wenzl ein großes Räucherstäbchen zu. »Schnell! Und schnallt euch die Knieschoner zum Gebet an!«
Wieder schlugen Fingerknöchel gegen die Tür.
»Bitte, noch einen Augenblick!« Er drückte seine hastig gerollte Zigarette aus und versteckte die Karte von Cranachan.
»Und die Zündhölzer? He, Bharkleed?« flüsterte Wenzl eindringlich.
»Hab ich nicht. Hast du doch …«
»Flaezz …?«
»Was?« Flaezz sah verärgert von der Kiste auf, die er mit den Bescheinigungen vollstopfte.
Wieder klopfte es an die Tür. »Hallo?« hörten sie eine ziemlich zittrige Stimme.
»Ob du Zündhölzer hast?« wisperte Wenzl, der kurz davor war durchzudrehen.
»Nein«, grunzte Flaezz.
Langsam wurde die Türklinke heruntergedrückt.
»Singen!« kommandierte Bharkleed. »Los!« Flaezz, der in der Eile keine Gelegenheit fand, um seine Kippe auszudrücken, saugte sie umgekehrt in den Mund und hielt die Luft an.
»Ommmmnahhmmmohhh …«, brummte Wenzl, hielt sich an seinem Räucherstäbchen fest und schwankte sanft hin und her.
»Mmmmmm …«, stimmte Flaezz mit ein.
Knarzend öffnete sich die
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