Firkin 3: Das Wurmloch ins Biblioversum
Wurstschnappen spielten …
Jetzt mußte er sich nur noch mit dem Dönerchef einig werden …
Welch ein wunderschöner Tag! dachte der kleine Spatz im Wald von Isolon und holte tief Luft für die nächste Zwitscherorgie. Eine Frau und drei Eier, ein bildschönes Nest auf dem attraktivsten Baum der ganzen Gegend, eine einflußreiche Stellung in der Verwaltungsgemeinschaft Amsel, Drossel, Fink & Star, den Bauch gefüllt mit einer Mordsraupe – was wollte ein jungdynamischer, karrierebewußter Sperlingsmann noch mehr? Er wollte zum Beispiel fröhlich tirilieren und seine schöne Stimme erschallen lassen.
Leider – und das galt für jeden, der davon betroffen war, einschließlich des Mädchens, das unter dem Baum saß und alles versuchte, um sich in einem tosenden Meer von Selbstmitleid zu ertränken – leider war eine schöne Stimme etwas, worüber dieser Spatz am allerwenigsten verfügte.
Der Spatz aber erachtete dieses Manko als belanglos, er blähte den Brustkorb um ein paar Mikrometer auf, pumpte die letzten noch erforderlichen Mikroliter Luft in die Lungen und schmetterte los – Kraft und Freude im Herzen, halbverdaute Raupe im Bauch. Was er produzierte, klang wie das Gejodel eines gefiederten Badewannentenors: Er sang mit leidenschaftlicher Lautstärke, mit rauschhaftem Überschwang und kümmerte sich nur wenig bis gar nicht um Textgenauigkeit, um exakte Phrasierung oder – und das war am schlimmsten – um präzise und sichere Intonation. Eine schriftliche Wiedergabe seiner Darbietung würde sich in etwa folgendermaßen lesen: »Skwäck skworrrk tschäälp zörp. Zörpili zirpilä zwitsch krrräztzzz!«
Der Winzling lärmte und krakeelte vor sich hin, randalierte in unverantwortlich kakophonischer Art und Weise drauflos und ahnte nicht, daß sich unter ihm ein gefährlich brodelndes Gemisch aus Verärgerung und Zorn zusammenbraute. Er sang fröhlich weiter. Den Blick verstellt von den Scheuklappen der Verzückung, war er sich nicht im geringsten der Tatsache bewußt, daß dort unten eine Hand das Laub durchwühlte, auf der Suche war nach einem kleinen, harten und schleuderfreundlichen Wurfgeschoß. Nur wenige Sekunden sollte es jetzt noch dauern, dann würde das gefiederte Nebelhorn den Zustand der vollkommenen Ahnungslosigkeit erreicht haben.
Courgettes Augen funkelten giftgrün. Mit mörderischer Treffsicherheit feuerte sie das Projektil nach der nervtötenden Kreatur. Pfeifend sauste es durch die Luft, traf den Sperling an der Schläfe und holte ihn vom Ast. Im hohen Bogen und mit wütendem Gekreisch trudelte der Sänger abwärts. In dem Augenblick, als Stein auf Feder traf, hätte Courgette am liebsten losgeheult. Ihre Wut, ihre Enttäuschung und Verwirrtheit, alles das kam jetzt zum Ausbruch. Sie zitterte. Sie konnte nicht glauben, was sie eben getan hatte. Sie hatte den Vogel tatsächlich umbringen wollen. Einen winzigen Augenblick lang hatte sie genau das tatsächlich gewollt. Noch nie war sie so wütend gewesen. Außer damals vielleicht … damals, als …
Bilder schossen ihr durch den Kopf, Bilder von riesigen Zähnen, triefend vor Nässe … sie schnappten nach einem Jungen, der über einen Baumstamm rannte, der über einem Fluß lag. Und sie … sie rannte ebenfalls, schwang einen Holzknüppel, schrie und kreischte …
Hoch über ihr stand eine kleine schwarze Wolke am Himmel.
Im Wald, in dem es jetzt still war, dort, wo ihr geliebter Brunnen stand, schrie Courgette, wie sie damals geschrien hatte: »Hau ab, du Scheusal! Laß ihn in Ruhe!« Wie Dreschflegel wirbelten ihre Arme, ihre Schwungkraft trieb sie voran, wie der Blitz schlug sie zu, schlug auf den Flußnydd ein …
Die Wolke wurde größer, schwoll an und blähte sich auf, dehnte sich aus, verfinsterte sich …
Sie ließ den Kopf sinken, schlug die Hände vor das Gesicht … Alles war ihr wieder eingefallen. Damals war sie erfolgreich gewesen. Sie hatte ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um ihn vor einem zwölf Meter langen Flußnydd zu retten. Aber jetzt hatte sie versagt. Jetzt ließ sie die anderen im Stich, alle drei … Wie sollte sie ihnen das bloß beibringen?
Plötzlich stach eine silberne Klinge durch die Wolke und raste leise, unendlich leise surrend zur Erde. Schimmernd und funkelnd durchschnitt sie die Luft und sauste geradewegs auf den tief unter ihr liegenden flammendroten Sammelpunkt der Zerknirschung und Selbstbezichtigung zu.
Courgette zerbrach sich den Kopf, suchte nach einer Lösung des Problems. Sie mußte
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