Firkin 3: Das Wurmloch ins Biblioversum
Platsch grünen schwimmenden Insel Plitsch wird endlos die rote Kugel sich drehn Klecker und her… des Orio… Macht wird Plotsch die Hunde des Schicksals aus ihren Klecks Zwingern holen, wenn das grü… Blut des Herings Spritzl sich milchig färbt.‹
Nostromo blickte auf die dreihundertfünfundzwanzig Zeilen, die auf das fleckige Pergament geschrieben waren, kratzte sich vergrämt den Kopf und fluchte.
Verdammt! Eine Rätselsendung! Ich hasse Rätselsendungen! Und diese versauten schon zweimal. Verquastes Zeug, kann alles mögliche heißen! Wozu die ganze Mühe? Seit einer Woche nichts anderes als diese verdammten Rätselsendungen! Da schleppt man sich mühselig hier rauf, und für was? Für einen Haufen Tintenkleckse! Gar nicht gut für meine Arthritis. Was zum Teufel haben Ziegenhirten und schwimmende Inseln mit der Zukunft zu tun? Bah! Ich frage mich, ob nicht ein paar von den Wellhornschnecken, die ich Ende letzter Woche gegessen habe, schlecht waren. Schon möglich, daß ich ein bißchen sehr gierig war, aber … Nein! Natürlich! Es war die Käsesauce. Zuviel Käsesauce, und ich krieg Alpträume. Immer! Kann nur an der Käsesauce liegen …
Geistesabwesend blätterte er in dem Buch ein paar Wochen zurück … Da! Dasselbe Geschmier, das gleiche altbekannte Muster! Er schrie, schlug hastig wieder den aktuellen durchweichten Eintrag auf, schrie noch einmal, lauter diesmal, und schlug sich an die Stirn. Eine Wiederholung! Eine Rätselsendung, und noch dazu eine, die er schon einmal gesehen hatte! Das war das Problem mit dem TV-Programm: Immer und ewig diese verdammten Wiederholungen!
Nostromo fluchte wie ein Roßknecht und saugte sich geräuschvoll die Käsereste aus den falschen Zähnen. Dann versetzte er dem Sarg einen Fußtritt, schlurfte aus dem Zimmer und schleppte sich die Treppe hinunter.
»Zahl ich eben meine Gebühren nicht mehr, wenn die sich nicht was Besseres einfallen lassen!« maulte er.
Die letzte Phase, während der Nostromo Kasein alles andere als zutreffende Weissagungen aus der Feder geflossen waren, hatte lange angehalten, sehr lange. So lange, daß sich niemand mehr (er selbst auch nicht) erinnern konnte, wie lange. Und trotzdem konnte der Prophet die Finger nicht vom TV lassen.
Es war der Reputation eines Propheten nicht eben förderlich, wenn man sechsmal, bei sechs sehr verschiedenen Gelegenheiten, öffentlich seinen unmittelbar bevorstehenden Tod angekündigt hatte. Nostromo wäre der letzte gewesen, der das bestritten hätte. Aber es ist eben nun einmal (und jeder Prophet wird das bestätigen) verflixt schwierig, auch nur annähernd sicher den Zeitpunkt seines eigenen Dahinscheidens vorauszusagen. Und das gilt für jedermann – wenn es sich nicht gerade um einen zum äußersten entschlossenen, schwer depressiven Spinner handelt, der bereits die Ärmel aufgerollt und eine blitzende Rasierklinge angesetzt hat.
Unglücklicherweise war Nostromos TV-Empfang alles andere als hochauflösend. Das lag an seinem Alter, an der Überarbeitung, aber auch an seiner Gewohnheit, den bewußtseinserweiternden Rauch zu inhalieren, der sich bei der Verbrennung gewisser sorgfältig ausgewählter getrockneter und zerriebener Kräuter und Blätter entwickelte. Derlei Angewohnheiten machten es zunehmend schwieriger, die wahren Perlen prophetoraler Weisheit von den Schweinereien und verfälschenden Auswüchsen zu scheiden, die ein vom Rauschgift benebelter, allmählich vergreisender Geist produzierte.
Drei Jahre lag es jetzt zurück, da war ihm dieses Problem zum ersten Mal aufgefallen. Wäre es ihm damals darum gegangen, der ganzen Welt vorzuführen, wie es sich anhört, wenn die Nähte am Stützkorsett der geistigen Gesundheit platzen – er hätte sich keine bessere Gelegenheit aussuchen können als jenen Moment, als er im Jahre 2523 bei der Neununddreißigsten Jahresversammlung der Propheten, Mystiker und Medien nach dem Wohltätigkeitsdiner sein Gastreferat hielt. Aber so ist das nun einmal mit der geistigen Gesundheit: Man schützt und pflegt sie all die Jahre über, behütet sie vor verzwickten Zweisteinschen Logeleien, hält die großen Fragen, auf die es nie eine Antwort gibt, von ihr fern, wechselt auf der Stelle die Straßenseite, wenn einem jemand einen kleinen, vielfarbigen Würfel in die Hand drücken will, an dem man (weil’s Spaß macht!) so lange rumbasteln soll, bis jede Würfelfläche nur mehr eine einzige Farbe hat … und was macht sie? Ohne lange um Erlaubnis zu fragen
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