Firkin 3: Das Wurmloch ins Biblioversum
TAPPEN
Statt wie sonst üblich mit dezentem Gebimmel die Essensbestellung durchzugeben, grollte, fauchte und zischte die Glocke des Königs lärmend durch die Küche und telegraphierte so ausdrucksvoll den Zorn und die rasende Wut, mit der sie geläutet wurde.
Am anderen Ende des Glockenstrangs, in den königlichen Privatgemächern, saß Kharthezsh und ließ schwitzend und fluchend den Tag Revue passieren. Es war schon spät, er war müde und wollte sein Abendessen. Jetzt sofort! Irgendwie hatte er es fertiggebracht, daß alle diese Befindlichkeiten durch die Art und Weise, wie tief unter ihm die Glocke schepperte, übermittelt wurden. Jetzt lag die rote Klingelschnur auf einem Haufen aus Mörtelstaub, Bruchstein, den Rollen eines ruinierten Flaschenzugs und verbogenen und abgebrochenen Wandhalterungen. Worauf es auch nicht mehr ankam, nach einem Tag mit Drachen, Trollen, Brand und …!
Vor der Tür war Fußgetrappel zu hören, schnell, als stünde unmittelbar eine Enthauptung bevor, das Quietschen von Absätzen und dann ein ängstliches, aber doch auch hartnäckiges Klopfen. Vorsichtig öffnete sich die Tür.
»Euer Hoheit, das Abendessen«, flüsterte Zuveth. Er stellte eine Platte mit gebratenen Neunaugen * auf das Nachttischchen, machte auf dem Absatz kehrt und ging ab – rasch, und doch wieder nicht allzu hastig.
Wie eine dunkle Wolke hing der mit Zorn aufgeladene Trübsinn über König Kharthezsh, als er sich jetzt an sein Abendmahl machte.
Die Kapelle des Heiligen Absentius des Ordentlich Abgeschriebenen besuchen zu müssen und dabei auch noch diesen Priestern zu begegnen – schlimmer hätte der Tag nicht beginnen können! »Glauben die doch tatsächlich ans Jenseits!« fauchte er und zerkaute dabei ein Neunauge. »Hätte sie eigentlich wegen Blasphemie hinrichten lassen sollen!«
»Hätte eigentlich alle hinrichten lassen sollen!« brüllte er und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Unnütze Bande! Zu nichts zu gebrauchen! Da stellt man ihnen eine einfache Frage, und was bekommt man zur Antwort? Ein jämmerliches Achselzucken!«
Er schäumte vor Wut, als er an die überstürzt einberufene Konferenz dachte, auf der man – mit der Absicht, brauchbare Lösungen zu erarbeiten – die aktuellen Ereignisse debattiert hatte.
»Hätt mich genausogut mit Papageien unterhalten können!« Er kochte, schrie und äffte die Stimmen seiner Gesprächspartner nach: »Wo kommt der Drache her?« -»Weiß nicht, Sire.« – »Wer hat ihn geschickt?« – »Weiß nicht, Sire.« – »Warum ist er hier?« – »Weiß nicht, Sire.« – »Wie sollen wir ihn wieder loswerden?« – »Weiß nicht, Sire.«
Eine einzige Frage hatte ihm die geballte Intelligenzia des Nachrichtendienstes (bestehend aus Kommandant Schyrling, General Batteur, Oberst Rachitwitz und Oberbefehlshaber Schlurf) beantworten können, die Frage: »Was waren das eigentlich für Kreaturen, die den Marktplatz plattgemacht haben?« Wie aus einem Munde hatten sie da geantwortet: »Trolle, Sire!« Und wie selbstgefällig sie dabei dreingeschaut hatten!
»Intelligenz, ha!« Noch eine von Zuveths Neunaugen wurde verschluckt. »Idioten!«
Wenige Augenblicke später war die Platte abgeräumt, und der König ging schlafen. Es sollte ein sehr unruhiger Schlaf werden.
»Fir wos schläppt Ihr eigentlich dieses ganze Zeigs mit Eich rum?« zischte Vlad. Er hetzte hinter Fisk her, der den Ostteil des befestigten Reichspalastes von Cranachan ansteuerte.
»Wirst schon sehen!« Fisk schleppte sich mit dem großen Weidenkorb ab, in dem auf einer Polsterung aus Stroh die Kürbisflasche lag, die jetzt weiß gestrichen war. »Wir sind gleich da!« Er grinste hämisch.
»Wo?« Der Vampir blickte sich um und versuchte ihre augenblickliche Position zu lokalisieren.
»Zweite Treppe rechts, wo es zu Kharthezsh raufgeht!« Fisk zitterte, er konnte seine Aufregung nur mühsam unterdrücken. Es war jetzt drei Uhr morgens. Wenn alles klappte, wie Fisk es geplant hatte, dann hätte er es bei Tagesanbruch geschafft! Dann wäre er erlöst von einem Leben im Untergrund, von dieser verborgenen Existenz in einem Schattenreich; dann wäre er ein freier Mensch, ausgestattet mit der ganzen Macht, die er sich wünschte. Dann würde es nicht mehr lange dauern, bis ihm Cranachan und Isolon gehörte, dann würde er herrschen!
Er zählte die Geheimtüren zu seiner Linken ab.
Eins: das Wohnzimmer des Königs.
Zwei: der königliche Sanitärbereich.
Und dann, geradeaus, Nummer
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