Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
übermorgen.« Sein Kopf sank auf das Kissen. Er atmete so tief aus, als wäre es das letzte Mal.
»Wie Ihr wünscht, Majestät.« Ich neigte tief den Kopf. Dann erhob ich mich, steckte die Nadel wieder unter meinen Kragen und ließ mir viel Zeit dabei. Alle sollten es se hen und sich merken. Schließlich verneigte ich mich kurz in Edels Richtung. »Wenn Ihr mich entschuldigt, Prinz«, sagte ich förmlich.
»Geh mir aus den Augen«, knurrte er unwirsch.
Ich drehte mich um und tat’s. Die Blicke seiner Kettenhunde folgten mir. Erst als ich auf dem Flur stand, fiel mir ein, dass ich keine Gelegenheit gehabt hatte, meinen Heiratswunsch zur Sprache
zu bringen, und aller Wahrscheinlichkeit nach würde sich auch in näherer Zukunft keine bieten. Ich wusste, ab sofort würde an den Nachmittagen Edel, Wallace oder einer ihrer Zuträger an König Listenreichs Seite zu finden sein, und diese für Molly und mein Leben entscheidende Bitte wollte ich mei nem König allein und unter vier Augen vortragen.
Fitz?
Ich habe den Wunsch, jetzt eine Weile allein zu sein, mein Prinz. Wenn es Euch nichts ausmacht?
Er verschwand aus meinem Bewusstsein. Mit schweren Schritten ging ich die Treppe hinunter.
KAPITEL 15
GEHEIMNISSE
P rinz Veritas entschied sich in jenem entscheidungsvollen Jahr für den Tag zur Mitte des des Winterfestes, um seine Flotte von Kriegsschifen vom Stapel laufen zu lassen. Der Tradition gemäß hätte er warten müssen, bis das Wetter umschlug, also etwa bis zum ersten Tag des Frühlingsfestes, eine Zeit, die als günstiger für Neuanfänge gilt. Doch Veritas hatte seine Schifsbauer und ihre Arbeiter gnadenlos angetrieben, um alle vier Schife sobald wie möglich fertig zu haben. An dem von ihm gewählten Tag konnte er sich eines großen Publikums sicher sein, sowohl für den Stapellauf als auch für seine Ansprache. Gewöhnlich veranstaltet man an diesem Tag eine Jagd, und das erlegte Wild, das man nach Hause bringt, gilt mit seinem Fleisch als Segenszeichen für die kommenden Tage. Während auf sein Signal hin die Schife auf ihren Rollhölzern aus den Schuppen geschoben wurden, verkündete er den Versammelten, auch dies wä ren seine Jäger, und das einzige Wild, das sie erlegen wollten, wären die Roten Korsaren. Die Reaktion auf seine Rede war mäßig und entsprach in keiner Weise dem, was er sich erhoft hatte. Ich glaube, die Menschen wollten einfach nicht an die Gefahr erinnert werden, sondern sich in der trügerischen Sicherheit des Winters verkriechen und so tun, als brächte allein schon ein neuer Frühling keinen einzigen Roten Korsaren mehr zurück. Doch Veritas ließ nicht zu,
dass sie die Augen vor der Wirklichkeit verschlossen. Die Schife wurden an jenem Tag feierlich zu Wasser gelassen, und die Ausbildung der Besatzungen begann.
Nachtauge und ich gingen am frühen Nachmittag auf die Jagd. Er murrte und sagte, es wäre eine alberne Tageszeit, um zu jagen, und weshalb ich die Stunden der Morgendämmerung damit vergeudet hätte, mich mit meiner Gefährtin zu balgen. Ich erklärte ihm, das wäre nun einmal so und würde auch so bleiben, die nächsten Tage und möglicherweise noch viel länger. Er war nicht erfreut darüber. Ich für meinen Teil ebenfalls nicht. Es störte mich, dass er so genau wusste, wie ich meine Stunden verbrachte, selbst wenn ich von seiner Anwesenheit in meinem Kopf nichts ahnte. Hatte Veritas ihn schon bemerkt?
Er lachte mich aus. Es ist manchmal schwer genug, dich auf mich aufmerksam zu machen. Soll ich deine Sperren überwinden und dann auch noch nach ihm rufen?
Unsere Jagdausbeute war gering. Zwei Kaninchen, die beide nicht besonders fett waren. Ich versprach, ihm am nächsten Morgen dazu noch etwas Küchenabfälle zu bringen. Noch weniger Erfolg als bei der Jagd hatte ich allerdings mit meinen Versuchen, ihm begreiflich zu machen, dass ich zu gewissen Zeiten ungestört bleiben wollte. Er konnte nicht begreifen, weshalb ich die Paarung in eine andere Kategorie einordnete als die üb rigen Rudelaktivitäten wie die Jagd oder das Rudelgeheul. Paarung versprach Nachwuchs, und Nachwuchs war die Angelegenheit des ganzen Rudels. Worte vermögen die Schwierigkeiten dieses stummen Widerstreits nicht darzustellen. Wir kommunizierten durch Bilder, Gedanken, und dabei lässt sich kaum Dis kretion wahren. Seine Offenheit war entsetzlich. Er versicherte mir, dass er mein Vergnügen an meiner Gefährtin und der Paarung teilte. Ich bat ihn,
sich fernzuhalten, was bei ihm wiederum
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