Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote
beeinflussen, was nach mir gewoben wurde.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich verstehe kein Wort von dem, was du eben gesagt hast.«
»Ah!« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe angeboten, dir mein
Geheimnis zu ent hüllen. Ich habe nicht versprochen, dafür zu sorgen, dass du es verstehst.«
»Eine Botschaft gilt nicht als übermittelt, bis sie nicht auch verstanden ist«, hielt ich ihm entgegen. Zitat Chade.
Der Narr zögerte. »Du verstehst durchaus, was ich dir gesagt habe«, wich er aus. »Du willst es nur nicht ak zeptieren. Nie zuvor habe ich so offen zu dir gesprochen, vielleicht verwirrt dich das.«
Er sprach in vollem Ernst. Ich schüttelte wieder den Kopf. »Was du sagt, ergibt keinen Sinn! Du bist irgendwohin gegangen, um deinen Platz in der Geschichte zu finden? Wie kann das sein? Geschichte ist, was hinter uns liegt. Vergangenheit.«
Er schüttelte den Kopf, langsam diesmal. »Geschichte ist, was wir in unserem Leben tun. Wir erschaffen sie an jedem einzelnen unserer Tage.« Ein ge heimnisvolles Lächeln umspielte seine Lippen. »Die Zukunft ist eine andere Art von Geschichte.«
»Kein Mensch kann wissen, was die Zukunft bringt«, stimmte ich zu.
Sein Lächeln wurde breiter. »Kann er nicht?«, fragte er leise. »Vielleicht, Fitz, ist ja irgendwo niedergeschrieben, was in Zukunft sein wird. Nicht aufgezeichnet von einer Person, wohlgemerkt, doch wenn die Omen und Visionen und Vorahnungen und Prophezeiungen einer ganz anderen, viel lang lebigeren Rasse aufgeschrieben würden und verglichen und in Zusammenhang gebracht, könnte nicht ein solches Volk einen Webstuhl erschaffen, in dessen Rahmen das Gewebe der Zukunft eingewoben wird?«
»Unwahrscheinlich«, wandte ich ein. »Wie sollte man je erfahren, ob irgendetwas davon eingetroffen ist?«
»Würde ein sol cher Webstuhl erschaffen und ein solcher Teppich aus Vorhersagen gewoben, nicht nur für wenige, sondern für Zehntausende von Jah ren, dann würde sich nach ei niger Zeit herausstellen, dass er wunderbar genaue Prognosen ermöglicht. Bedenke,
dass jene, die diese Aufzeichnungen führen, von einer anderen Rasse mit einer außerordentlich langen Lebensspanne sind. Eine bleichhäutige, anmutige Rasse, die gelegentlich ihr Blut mit dem der Menschen vermischt. Und dann!« Er drehte sich einmal um sich selbst, plötzlich euphorisch und unerträglich selbstgefällig. »Und dann, wenn bestimmte Kinder geboren werden, so unverkennbar gezeichnet, dass die Geschichte sich ihrer erinnern muss, sind sie aufgerufen, den Schritt nach vorn zu tun, ihre Plätze in jener zu künftigen Geschichte zu finden. Und man mag sie des Weiteren ermuntern, jenen Ort zu erforschen, diesen Knotenpunkt von hundert Fäden, und zu sagen, diese Fäden hier, das sind diejenigen, an denen ich zupfen werde, und damit verändere ich den Teppich, verändere ich das Muster, verändere ich die Farbe dessen, was sein wird. Ich verändere das Schicksal der Welt.«
Er machte sich lustig über mich, da ran hatte ich nun kei nen Zweifel mehr. »Einmal in vielleicht tausend Jahren mag es einen Menschen geben, der fähig ist, den Lauf der Welt in solchem Ausmaß zu beeinflussen. Ein mächtiger König oder Phi losoph, der die Gedanken Tausender formt. Aber du und ich, Narr? Wir sind Staubkörnchen. Schlichtes Fußvolk.«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Das ist, was ich an euch Leuten hier nicht verstehe. Ihr lasst die Würfel rollen und gebt zu, dass das ganze Spiel davon abhängt, wie sie fallen. Ihr teilt Karten aus und sagt, dass das Blatt in sei ner Hand über Glück oder Unglück eines Mannes entscheidet. Doch über eines Menschen ganze Lebensspanne rümpft ihr die Nase und sagt: Dieser Fischer, dieser Zimmermann, dieser Dieb, dieser Koch - was kön nen sie aus richten in der großen weiten Welt? Und so lasst ihr euer Leben ausbrennen, flackernd und zischend wie eine Kerze im Wind.«
»Nicht alle Menschen sind für Großes bestimmt«, erinnerte ich ihn.
»Bist du sicher, Fitz? Bist du sicher? Wozu ist ein Leben gut, das gelebt wird, als wäre es ohne jede Bedeutung für den großen Plan der Welt? Etwas Jämmerlicheres kann ich mir nicht den ken. Weshalb sollte eine Mutter nicht zu sich sa gen: Wenn ich dieses Kind mit Sorgfalt großziehe, wenn ich es liebe und umhege, wird es eine Freude sein für alle, die es ken nen, und dadurch habe ich die Welt verändert? Weshalb sollte nicht der Bauer, der ein Saatkorn in die Erde legt, zu seinem Nachbarn sagen: Dieser Samen, den ich
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