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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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täuschen oder ihr Kummer zu bereiten.«
    »Ich werde nichts dergleichen tun! Und du auch nicht, Lacey! Glaubt ihr, ich hätte das Zwinkern hinter meinem Rücken nicht gesehen? Ihr alle beide - ich bestehe darauf, dass ihr die Gebote des Anstands befolgt. FitzChivalric, für dich gilt: Du kennst Molly nicht. Mistress Chandler. Und sie kennt dich nicht. So will ich es haben, so muss es sein. Nun komm, Lacey. FitzChivalric, ich
erwarte, dass du zu Bett gehst und schläfst, damit du morgen wiederhergestellt bist.«
    Sie gingen hinaus. Ich versuchte, Laceys Blick aufzufangen, um mir ihre Unterstützung zu si chern, aber sie wollte nicht zu mir herschauen. Die Tür schloss sich hinter den beiden Frauen, und ich lehnte mich zurück. Gefühl und Verstand rebellierten gegen die von Philia auferlegten Einschränkungen, aber so schmerz lich es war: sie hatte Recht. Ich konnte nur hoffen, dass Molly mein Benehmen eher als gedankenlos denn als hinterhältig oder arglistig betrachtete.
    Schließlich stand ich auf und küm merte mich um das Feuer, dann setzte ich mich neben den Kamin und schaute mich in meinem Zimmer um. Nach den Monaten im Bergreich kam es mir wirklich trostlos vor. Der einzige schmückende Gegenstand im ganzen Raum war ein reichlich verstaubter Wandteppich, der die Begegnung von König Weise mit den Uralten darstellte. Er gehörte zum Inventar des Zimmers, wie die Zedernholztruhe am Fuß des Bettes. Ich musterte ihn kritisch. Er war ausgeblichen und mottenzerfressen, leicht zu begreifen, weshalb man ihn hierherverbannt hatte. In der ersten Zeit hatte er mir Alpträume verursacht. In einem altertümlichen Stil gearbeitet, wirkte König Weise seltsam in die Länge gezogen, während die Uralten keinerlei Ähnlichkeit mit irgendeiner Kreatur hatten, die ich kannte. An ihren gewölbten Schultern waren andeutungsweise Flügel zu erkennen. Oder vielleicht sollte es ein Glorienschein aus Licht sein, der sie umgab. Ich setzte mich bequemer hin, um die Gestalten genauer zu studieren.
    Unversehens war ich eingenickt und erwachte durch einen Luftzug, der über mei ne Schulter strich. Die Ge heimtür neben dem Kamin, die zu Chades Reich hinaufführte, stand weit offen. Ich erhob mich mit steifen Gelenken, reckte mich und stieg die
Treppe hinauf, nur mit mei nem Nachthemd bekleidet, wie bei jenem ersten Mal vor vie len Jahren. Damals folgte ich ei nem furchteinflößenden alten Mann mit po ckennarbigem Gesicht und den scharfen, klaren Augen eines Raben. Er hatte angeboten, mir beizubringen, wie man Menschen tötet. Außerdem - das begriff ich, ohne dass er es aussprechen musste - bot er mir an, mein Freund zu sein. Ich hatte beide Angebote akzeptiert.
    Die Steinstufen waren kalt. Hier gab es immer noch Spinnweben und Staub und Ruß über den Fackelhaltern an der Wand, der allgemeine Hausputz der Königin hatte sich dem nach nicht auf diesen Treppenaufgang erstreckt. Und auch nicht auf Chades Domizil. Dort war es so chaotisch, unaufgeräumt und ge mütlich wie eh. Die eine Hälfte des großen Zimmers war seine Giftküche, mit einem großen Herd, nacktem Steinfußboden und riesigem Tisch, auf dem sich das üb liche Sammelsurium ein friedvolles Stelldichein gab: Mörser und Stößel, schmierige Teller mit Fleischbrocken für Schleicher, das Wiesel, Dosen voller getrockneter Kräuter, Schrifttafeln und -rollen, Löffel und Zangen und ein geschwärzter Kessel, aus dessen Tülle sich immer noch eine übelriechende Dampfsäule zur Decke kräuselte.
    Chade jedoch hatte sich in die andere Hälfte zurückgezogen, wo ein dick gepolsterter Lehnsessel vor sei nem brennenden Kamin stand. Tep piche bedeckten in sich überlappenden Schichten den Boden, auf ei nem elegant geschnitzten Tisch stan den eine Glasschale mit Äp feln und eine Ka raffe Sommerwein. Chade saß eingeschmiegt in die weichen Kissen der Polsterung und hielt eine Schriftrolle ins Licht, wäh rend er sie auf merksam studierte. Musste er dazu die Arme weiter ausstrecken, oder hatte es nur den Anschein, weil sie noch dün ner waren als frü her? Ich fragte mich, ob er in den Monaten meiner Abwesenheit so stark gealtert war oder ob ich sein Alter früher einfach nicht wahrgenommen hatte. Seine
graue Kutte sah ab getragen aus wie im mer, und das lange graue Haar, das ihm über die Schultern fiel, kam mir unverändert vor. Wie immer wartete ich schweigend, bis er so gnädig war, den Kopf zu heben und mei ne Anwesenheit zur Kennt nis zu neh men. Manche Dinge veränderten sich,

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