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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Trauer, bald aber käme die Zeit, Rache zu üben. Seinen Worten fehlten Kettrickens Feuer und Leidenschaft, doch ich konnte sehen, dass er bei den Leuten Wirkung erzielte. Diese nickten zu seinen Worten
und begannen untereinander zu reden, während Edel stumm vor sich hin brütete. Veritas und Kettricken verließen die Halle zusammen, sie an sei nem Arm, eine betonte Geste, die von den Anwesenden wohl zur Kenntnis genommen wurde. Edel schien von all dem noch nicht ge nug zu ha ben. Er blieb sitzen, leerte Becher um Be cher und führte murmelnd Selbstgespräche. Ich selbst schlüpfte kurz nach Veritas und Kettricken hinaus, um in mein Schlafgemach hinaufzugehen.
    Ich machte nicht den Versuch einzuschlafen, sondern legte mich angekleidet aufs Bett und schaute ins Feuer. Als sich die Geheimtür öffnete, sprang ich auf und stieg die Treppe zu Chades Domizil hinauf. Ich traf ihn so aufgeregt an wie nie, sogar seine bleichen, narbigen Wangen hatten einen rosigen Schimmer. Das graue Haar stand ihm wild um den Kopf, sei ne grünen Augen glitzerten wie Smaragde. Er ging ruhelos auf und ab. Als ich he reinkam, schloss er mich tatsächlich kurz und heftig in die Arme, dann trat er zurück und lachte laut über meinen schockierten Gesichtsausdruck.
    »Sie ist die geborene Herrscherin! Die geborene Herrscherin, und endlich ist sie aufgewacht, um zu zeigen, was in ihr steckt. Genau zur rechten Zeit! Vielleicht wird sie unser aller Retterin sein!«
    Seine Euphorie mutete mir beinahe unheimlich an.
    »Du weißt nicht, wie viel Menschen heute gestorben sind«, warf ich ihm vor.
    »Aber nicht vergebens! Wenigstens nicht vergebens! Das waren keine vergeudeten Leben, FitzChivalric. Bei El und Eda, Kettricken hat den Instinkt und die Ausstrahlung! Würde dein Vater noch leben und sie säße neben ihm auf dem Thron, hät ten wir einen König und eine Königin, die fähig wären, die ganze Welt unter ihrem Zepter zu vereinen.« Er trank einen Schluck Wein und wanderte weiter im Raum umher. Ich hatte ihn nie so überschwänglich gesehen. Fehlte nur noch, dass er Freudensprünge machte.
Auf einem Tisch stand ein Korb mit aufgeklapptem Deckel, sein Inhalt war auf ei nem Tuch ausgebreitet. Wein, Käse, Würste, in Essig eingelegtes Gemüse und Brot. Also selbst hier in seinem abgelegenen Turm nahm Chade Anteil am Leichenschmaus. Schleicher, das Wiesel, hüpfte am mir entgegengesetzten Ende auf den Tisch und betrachtete mich angesichts der Leckerbissen mit futterneidischen Augen. Chades Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
    »Sie besitzt viele von den Fä higkeiten, die auch Chivalric hatte. Den Instinkt, eine sich bietende Gelegenheit zu ergreifen und zu nutzen. Sie form te den Feldzug zu großer Tragödie, was in anderen Händen zu ei nem Schlachtfest geworden wäre. Junge, Bocksburg hat eine Königin, eine wirkliche Königin!«
    Ich fühlte mich ein we nig abgestoßen von seiner Freude. Und, für einen Augenblick, auch betrogen. Zögernd fragte ich: »Glaubst du wirklich, die Königin hätte nur einen großen Auftritt im Sinn gehabt? Dass alles nur ein kal kulierter politischer Schachzug war?«
    Er blieb stehen und überlegte. »Nein. Nein, FitzChivalric, ich glaube, sie folgte der Stimme ihres Herzens. Aber deswegen ist es nicht weniger brillant. Ah, du hältst mich für zynisch. Oder für gefühllos in meiner Ignoranz. Die Wahrheit ist, ich weiß nur zu gut Bescheid, weiß viel besser als du, was der heutige Tag bedeutet. Ich weiß, heute sind Menschen ums Leben gekommen. Ich weiß sogar, dass auch sechs un serer eigenen Leute verwundet, doch überwiegend leichtere Verletzungen davontrugen. Ich kann dir die genaue Zahl der toten Entfremdeten nen nen, und wenn du mir einen Tag Zeit gibst, auch ihre Namen. Namen, die in mei nen Aufzeichnungen über die Gräueltaten der Roten Korsaren enthalten sind, über die ich genau Buch geführt habe. Ich werde es sein, Junge, der dafür sorgt, dass den überlebenden Angehörigen die Beutel mit dem Blutgeld ausgehändigt werden, dazu ein Schreiben, das
den Dank und das Bei leid Seiner Majestät behinhaltet sowie die Bitte, ihn bei sei nem Rachefeldzug gegen den Feind zu unterstützen. Das sind keine angenehmen Briefe, die ich da zu schreiben habe, Fitz, aber ich werde sie aufsetzen, in Veritas’ eigener Handschrift, um vom König unterzeichnet und besiegelt zu werden. Oder hast du geglaubt, ich täte nichts anderes, als für meinen König zu morden?«
    »Ich bitte um Entschuldigung. Es hat mich nur

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