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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Mal so betrunken war, dass ich mich übergeben musste, und hatte darüber gelacht, bis sein eigener Magen rebellierte. Er war es auch gewesen, der den stinkenden Fisch zwischen Bock und Platte eines der Tische des Tavernenwirts klemmte, der uns des Diebstahls beschuldigt hatte. Nun erinnerte sich nur noch ich unserer gemeinsam verbrachten Zeit. Be raubt eines Teils meiner Vergangenheit und meiner Selbst.
    Als wir unsere traurige Arbeit beendet hatten und schwei gend auf die Sei te an Seite ausgestreckten leblosen Körper blickten, begann Veritas, die Liste unserer Verluste vorzulesen. Dabei handelte es sich überwiegend um kurze Beschreibungen: »Ein junger Mann, dunkles Haar, die Narben ei nes Fischers an den Händen«, hieß es einmal oder auch: »Eine Frau, lockiges Haar, hübsch, eintätowiertes
Zeichen der Gilde der Puppenspieler.« Wir lauschten der langen Aufzählung derer, die von uns genommen waren, und wessen Auge dabei trocken blieb, der hatte ein Herz von Stein. Wir wa ren jedem einzelnen Freund und Fa milie, als wir die Toten aufhoben, zu dem Scheiterhaufen trugen und behutsam auf dieses letzte Totenbett legten. Veritas selbst brachte die Fackel, doch er übergab sie der Königin, der die Ehre gebührte. Als die ersten Flammen an den harzigen Ästen entlangzüngelten, rief sie laut zum schwarzen Himmel empor: »Ihr sollt nicht vergessen werden!« Die Menge antwortete ihr wie mit einer Stimme. Blade, der alte Sergeant, stand mit einer Schere neben dem lodernden Holzstoß und schnitt jedem Soldaten eine fingerlange Haarsträhne ab, ein Symbol der Trauer um ei nen gefallenen Kameraden. Veritas stand mit in der Reihe und Kettricken hinter ihm, um eine Locke ihres flächsernen Haares zu opfern.
    Es folgte eine Nacht, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Nahezu sämtliche Bürger der Stadt kamen zur Burg heraufgewandert und wurden stillschweigend eingelassen. Alle folgten dem Beispiel der Königin und hielten Totenwache, bis der Scheiterhaufen vollkommen niedergebrannt war. Dann füllten sich die Hallen, und im Hof wurden Tische aufgestellt für jene, die drinnen keinen Platz fanden. Ale- und Wein fässer wurden herausgerollt, und es wurde aufgetischt, dass mir die Augen übergingen. Ich hatte nicht geahnt, dass Bocksburg solche Vorräte besaß, doch später erfuhr ich, dass vieles aus der Stadt freiwillig und in großzügiger Spende heraufgeschickt worden war.
    Seine Majestät, der König, kam aus seinen Gemächern, wie seit einigen Wochen nicht mehr, und führte von sei nem Platz am Hohen Tisch aus den Vor sitz über das Mahl. Seit lich hinter seinem Herrn stand der Narr und nahm, was der König ihm von seinem Teller reichte. In dieser Nacht unterließ er seine Possen und närrischen
Reden, selbst die Schellen an seinen Ärmeln und der Kappe waren mit Stoffstreifen umwickelt und ihres heiteren Klangs beraubt. Nur einmal fing ich sei nen Blick auf, doch er ent hielt keine Botschaft für mich. Zur Rechten des Königs saß Veritas, Kettricken zu seiner Linken, denn natürlich war auch Edel erschienen, wie immer prachtvoll ausstaffiert, so dass nur das Schwarz seiner Kleidung an den traurigen Anlass des Festmahls gemahnte. Er blickte finster drein und trank, wobei ich annehme, dass manche sein verbissenes Schweigen als Ausdruck des Schmerzes deuteten. Ich allerdings spürte den Zorn, der in ihm brodelte, und wusste, irgendjemand würde irgendwo bald für das bezahlen, was er als Affront gegen seine Person betrachtete. Sogar Philia war ge kommen. Ihre Anwesenheit war ebenso selten wie die des Königs - und dies war ein weiteres Zeichen der Einigkeit, die wir demonstrierten.
    Der König aß nur wenig, doch er wartete, bis alle, die am Hohen Tisch saßen, gesättigt waren, bevor er sich erhob, um zu seinem Volk zu sprechen. Seine Worte wurden an den unteren Tischen wiederholt und in die klei ne Halle und draußen im Hof von den Barden weitergereicht. In sei ner kurzen Rede nahm er Bezug auf all jene, die wir an die Roten Korsaren verloren hatten. Er sagte nichts von Ent fremdung oder von unserem blutigen Tagewerk, sondern sprach von ihnen, als wären sie erst kürzlich in einem Kampf gegen die feindlichen Schiffe gefallen, und mahnte uns nur, wir dürften sie nie vergessen. Dann entschuldigte er sich mit Erschöpfung und Trauer und verließ die Tafel, um sich in seine Gemächer zurückzuziehen.
    Nach ihm erhob sich Veritas. Er tat wenig mehr, als Kettrickens Worte vom Vormittag zu wiederholen, heute sei ein Tag der

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