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Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 02 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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eine gehörige Kostprobe von dem Gift bekommen und alles wieder ausgespien. Das Zeug auf dem Tisch sieht zerkaut aus, aber nicht verdaut. Ich vermute, der Geschmack hat den Brechreiz ausgelöst, bevor das Gift zu wirken begann.«
    »Hoffentlich«, sagte ich schwach. Alle mei ne Nerven lauschten angespannt auf Signale meines Körpers. Fühlte ich mich schläfrig, benommen, spürte ich ein Brennen im Magen? War mein Mund taub, trocken oder eher voller Speichel? Der Schweiß brach mir aus, ich begann zu zittern. Nicht schon wieder.
    »Hör auf«, mahnte Chade streng. »Setz dich hin. Trink einen
Schluck Wasser. Du steigerst dich selbst in Panik hinein, Fitz. Die Flasche war mit ei nem alten Korken fest verschlossen. Falls der Wein vergiftet gewesen sein sollte, dann liegt die Tat Jah re zu rück. Ich kenne nur wenige Menschen mit der nötigen Geduld, einen Wein zu vergiften und ihn dann in aller Gemütsruhe reifen zu lassen. Nein, uns geht es gut.«
    Ich atmete schwer ein und aus. »Aber jemand hat ganz andere Absichten gehabt. Wer hat dir das Essen gebracht?«
    Chade schnaubte verächtlich. »Ich habe mei ne Mahlzeit selbst zubereitet, wie stets. Das auf dem Tisch stammt aus einem Präsentkorb für Lady Quendel. Von Zeit zu Zeit versucht man sich bei ihr einzuschmeicheln, weil es heißt, sie habe beim König immer ein offenes Ohr. Wer sollte mein weibliches Alter Ego vergiften wollen?«
    »Edel«, sagte ich wieder. »Ich habe dich gewarnt, dass er glaubt, Lady Quendel wäre des Königs Giftmischerin. Wie konntest du so unvorsichtig sein? Du weiß, er gibt ihr die Schuld am Tod seiner Mutter. Sollen wir um den heißen Brei herumreden, bis er uns alle vergiftet hat? Er wird nicht eher Ruhe geben, bis er auf dem Thron sitzt.«
    »Und ich sage dir noch mals, ich will nichts hö ren von Ver rat!« Chade schrie es fast heraus. Er setzte sich hin und nahm Schleicher auf den Schoß. Das kleine Tier putzte sich mit den Vorderpfoten umständlich den Schnurrbart, dann rollte es sich zusammen, um zu schlafen. Während er das Wiesel streichelte, betrachtete ich Chades blei che Hand mit den deut lich hervortretenden Seh nen und der pergamentenen Haut. Er hielt den Blick gesenkt, sein Gesicht war steinern. Endlich sagte er mit ruhiger Stimme: »Ich denke, unser König hatte Recht. Wir sollten alle unsere Wachsamkeit verdoppeln. Und nicht nur, was Kettricken betrifft. Oder uns selbst.« Als er den Kopf hob und mich ansah, waren seine Augen voller
Qual. »Achte auf deine Frauen, Junge. Weder Unschuld noch Ahnungslosigkeit sind ein Schutz vor hin terhältigen Anschlägen wie diesem. Philia, Molly, sogar Lacey. Finde einen Weg, einen unauffälligen Weg, auch Burrich eine Warnung zukommen zu lassen.« Er seufzte und fragte in das lee re Zimmer hinein: »Ha ben wir außerhalb unserer Mauern nicht schon Feinde genug?«
    »Genug«, bestätigte ich. Edels Namen ließ ich dies mal und künftig unerwähnt.
    Er schüttelte den Kopf. »Dies ist kein gutes Omen vor dem Antritt einer Reise.«
    »Eine Reise? Du gehst auf eine Reise?« Ich konnte es kaum glauben. Chade verließ praktisch nie die Burg. Oder nur selten. »Wohin?«
    »Wohin gute Gründe mich füh ren. Jetzt aber den ke ich fast, ich habe gute Gründe zu bleiben.« Er schloss für ei nen Moment wie vor Müdigkeit die Augen. »Pass auf dich auf, Junge, während ich fort bin. Aus der Ferne vermag ich dich nicht vor Un heil zu bewahren.« Und mehr wollte er mir nicht sagen.
    Als ich ihn verließ, blickte er gedankenverloren ins Feuer, die Hände um den zusammengerollten Körper des Wiesels gefaltet. Ich ging mit weichen Knien die Treppe hinunter. Der Anschlag auf Chade hatte mich mehr erschreckt als alles andere. Nicht einmal seine geheime Existenz war ausreichend gewesen, ihn davor zu bewahren. Und es gab andere, leichtere Ziele, die mir ebenso am Herzen lagen.
    Verflucht der Hochmut, der mich am Morgen veranlasst hatte, Edel unter die Nase zu reiben, dass er mich nicht länger herumstoßen konnte. Ich war ein Narr gewesen, ihn herauszufordern; ich hätte wissen müssen, dass ich dadurch jeden, der mir nahestand, in Gefahr brachte. In meinem Zimmer blieb ich nur so lange, wie nötig war, um in andere Kleider zu schlüpfen, dann stieg ich die
Treppe hinauf und schlich zu Mollys Kammer. Ich klopfte leise an die Tür.
    Nichts rührte sich. Ein zweites Mal wollte ich nicht klopfen. Es fehlten noch ein oder zwei Stun den bis zum Morgen, die Bewohner der Burg lagen nach der denkwürdigen Nacht

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