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Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier

Titel: Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Ich habe keinen Hunger.
    Wie du willst. In der offenen Tür verharrte er. Ich glaube nicht, dass dir der Schlaf unter einem Dach gut bekommt. Damit machte er sich fort und verschwand als grauer Schatten, der vom Morgennebel verschlungen wurde. Langsam legte ich mich wieder hin und schloss die Augen. Nur noch ein wenig schlafen.
    Als ich zum zweiten Mal erwachte, strömte helles Tageslicht durch die offene Tür. Mein kurzes Spüren entdeckte einen gesättigten Wolf, der dösend im wechselnden Schatten zwischen zwei dicken Wurzeln einer Eiche lag. Nachtauge hatte nichts übrig für sonnige Tage. Heute teilte ich seine Meinung, aber ich zwang mich, meinen Entschluss von gestern in die Tat umzusetzen. Ich machte mich daran, in der Hütte Ordnung zu schaffen, bis mir einfiel, dass ich aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder hierher zurückkehren würde. Aus Gewohnheit räumte ich trotzdem weiter auf. Ich kehrte die Asche aus dem Kamin und stapelte frisches Brennholz auf. Falls jemand vorbeikommen und einen Unterschlupf brauchen sollte, würde er alles bereit finden. Meine inzwischen getrocknete Kleidung und alles, was ich mitnehmen wollte, baute ich auf dem Tisch auf. Es war erbärmlich wenig, wenn man bedachte, dass es sich um die Gesamtheit meiner Habseligkeiten handelte, aber es war mehr als genug, um es auf dem Rücken zu tragen. Ich ging zum Bach hinunter, um zu trinken und mich zu waschen, bevor ich alles zu einem handlichen Packen verschnürte.
    Auf dem Rückweg zur Hütte überlegte ich, wie Nachtauge es aufnehmen würde, dass ich bei Tag reisen wollte. Offenbar hatte ich versehentlich meine zweite Hose auf der Schwelle fallen lassen. Ich bückte mich beim Eintreten, hob sie auf und warf sie auf den Tisch. Dann merkte ich, dass ich nicht allein war.
    Doch das Kleidungsstück auf der Schwelle hätte mich warnen sollen - ich war unvorsichtig geworden. Es war inzwischen schon zu lange her, dass mir jemand aufgelauert hätte. Ich verließ mich zu sehr auf mein besonderes Gespür und die Gabe. Doch ließen sich Entfremdete weder mit der Alten Macht noch mit der Gabe wahrnehmen, geschweige denn bekämpfen. Es waren zwei, beides junge Männer und, um nach ihrem Äußeren zu urteilen, erst vor kurzem entfremdet. Ihre Kleidung war noch in ziemlich gutem Zustand, sie sahen zwar schmutzig aus, aber nicht so verlottert und verroht wie ihresgleichen sonst.
    Die meisten meiner bisherigen Zusammenstöße mit Entfremdeten hatten im Winter stattgefunden, und meine Gegner waren dabei von Kälte und Entbehrungen geschwächt gewesen. Zu meinen Pflichten als König Listenreichs Assassine hatte gehört, die Gegend um Bocksburg von ihnen freizuhalten. Wir hatten nie herausfinden können, über welche düstere Magie die Roten Korsaren verfügten, dass sie Menschen aus ihrem Heim, von ihren Familien wegschleppen konnten und dann als seelenlose und brutale Marodeure wieder aus der Gefangenschaft entließen. Wir wussten nur, die einzige Heilung war ein gnädiger Tod. Die Entfremdeten waren der grausigste der Schrecken, mit denen die Korsaren uns heimsuchten. Sie ließen uns unsere eigene Familie und Verwandtschaft als Plage zurück, lange nachdem ihre Schiffe wieder verschwunden waren, und stellten uns vor eine furchtbare Wahl: Dem Bruder mit dem Wissen ins Angesicht zu schauen, dass er in blindwütiger Gier nicht vor Raub, Mord und Vergewaltigung zurückschrecken würde? Oder das Messer zu nehmen, Jagd auf ihn zu machen und ihn zu töten?
    Ich hatte die zwei beim Plündern meiner letzten Habseligkeiten gestört. Sie stopften sich mit Trockenfleisch voll, wobei sie sich gegenseitig misstrauisch beäugten. Entfremdete schlossen sich häufig zu Gruppen zusammen, doch es gab keinen engen Zusammenhalt zwischen ihnen. Vielleicht entsprang das Verlangen nach Gesellschaft lediglich der Gewohnheit. Ich hatte erlebt, wie sie sich wegen irgendwelchem Plunder oder aus schierem Hunger totschlugen. Doch nun richteten die beiden ihre lauernden Blicke auf mich. Ich erstarrte. Einen Augenblick lang rührte sich keiner von uns.
    Sie hatten den Proviant und alles, was sich zu stehlen lohnte. Es gab für sie keinen Grund, mich anzugreifen, solange ich sie nicht herausforderte. Schritt für Schritt wich ich zurück und achtete darauf, meine Hände gesenkt und still zu halten. Wie bei der überraschenden Begegnung mit einem Bären vermied ich es, ihnen in die Augen zu sehen, während ich mich vorsichtig aus ihrem Bereich zurückzog. Ich war fast schon im

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