Fitz der Weitseher 03 - Der Nachtmagier
er hingegangen ist oder was aus ihm wurde. Merle glaubt, er ist in seine Heimat zurückgekehrt. Mag sein. Vielleicht aber lebt irgendwo ein Spielzeugmacher, dessen Marionetten für die Menschen ein Wunder und ein Entzücken sind, und ich hoffe, er trägt einen Ohrring aus Silber mit einem Saphir. Die Abdrücke seiner Finger auf meinem Handgelenk sind über all die Jahre zu einem milchigen Grau verblasst.
Ich werde ihn vermissen, solange ich lebe.
Es hat mich sechs Jahre gekostet, wieder den Weg nach Bock zu finden. Eins verbrachten wir in den Bergen, eins bei dem Schwarzen Rolf. Nachtauge und ich lernten viel über unseresgleichen, kamen aber auch zu der Erkenntnis, dass wir uns zu zweit allein am wohlsten fühlen. Trotz Hollys gutgemeinter Bemühungen war Ollies Jüngste Vita von mir als Ehekandidat nicht gerade angetan. Ich fühlte mich nicht im mindesten gekränkt und nahm ihre Ablehnung als gelegenen Vorwand, um mich mit Nachtauge wieder auf den Weg zu machen.
Wir waren dann hoch im Norden auf den Nahen Inseln, wo die Wölfe ein so weißes Fell haben wie die Bären.
In südlicher Richtung sind wir danach bis Chalced gereist und sogar über Bingtown hinaus. Wir sind am Ufer des Regenflusses hinaufgewandert und auf einem Floß wieder hinuntergefahren. Wir haben entdeckt, dass Nachtauge nicht gerne auf dem Wasser unterwegs ist und dass ich keine Gegenden mag, wo es keinen Winter gibt. Wir haben die Grenzen von Veritas’ Karten überschritten.
Ich hatte geglaubt, ich würde nie wieder nach Bock zurückkehren. Und doch: In einem Jahr haben die Herbstwinde uns hergeweht, und wir sind geblieben. Die Hütte, in der wir uns eingerichtet haben, hatte zuvor einem Köhler gehört. Sie liegt nicht weit entfernt von Ingot, oder vielmehr dort, wo Ingot einst gewesen ist. Das Meer und die Winter haben die Stadt ausgelöscht und die bösen Erinnerungen, die mit ihr verbunden sind. Eines Tages werden die Menschen wieder herkommen, um das wertvolle Eisenerz abzubauen, aber das wird noch nicht so bald geschehen.
Wenn Merle kommt, macht sie mir regelmäßig Vorwürfe, weil ich mich in der Einsamkeit vergrabe, denn sie sagt, ich sei noch ein junger Mann. Was, fragt sie dann herausfordernd, sei aus meinen großen Worten von damals geworden, dass ich eines Tages ein eigenes Leben haben wolle? Ich antworte ihr dann immer, ich hätte es gefunden. Hier, in meiner Hütte, mit meinen Aufzeichnungen und meinem Wolf und meinem jungen Gehilfen. Manchmal, wenn wir uns geliebt haben, und ich liege danach wach und lausche ihren gleichmäßigen Atemzügen, nehme ich mir vor, am nächsten Morgen aufzustehen und meinem Leben einen neuen Sinn zu geben. Doch an den meisten Tagen, wenn ich morgens die Augen aufschlage und all die kleinen und großen Schmerzen mit mir erwacht sind, glaube ich nicht mehr daran, dass ich ein junger Mann bin. Ich bin ein alter Mann, gefangen in einem jungen, von Narben übersäten Körper.
Die Gabe in mir kommt nicht zur Ruhe. Besonders in den Sommern, wenn ich an den Klippen entlanggehe und über das Meer schaue, fühle ich mich versucht hinauszugreifen, wie Veritas es einst getan hat. Manchmal tue ich es und habe Teil an der Freude einer Fischersfrau über ihren Fang oder den häuslichen Sorgen des Maats auf einem vorüberfahrenden Handelsschiff. Die Qual besteht darin, wie ich nun selbst erfahre, dass nie eine Antwort zurückkommt. Einmal, als der Gabenhunger in mir sich steigerte bis hin zum Wahnsinn, griff ich sogar hinaus zu Veritas-als-Drache und beschwor ihn, mich zu hören und mir zu antworten.
Doch er tat es nicht.
Edels Zirkel sind längst zerfallen, weil es keinen Gabenmeister gab, um sie zu schulen. Selbst in den Nächten, wenn ich in der Verzweiflung meinen Gabenruf hinaussende, fast so wie ein Wolf sein trauriges Heulen zum Mond emporrichtet, und wenn ich darum flehe, irgendjemand irgendwo möge mich erhören, erhalte ich keine Antwort - nicht einmal ein Echo. Dann sitze ich an meinem Fenster und schaue durch den Dunst am Kap der Geweihinsel vorbei ins Nichts. Ich falte die Hände ineinander, weil sie zittern, und weil ich mich an mir selbst festhalten muss, um mich nicht in den Gabenfluss zu stürzen, der darauf wartet, immer darauf wartet, mich hinwegzutragen. Es wäre so leicht. Manchmal ist alles, was mich zurückhält, nur die Berührung eines Wolfs in meinem Bewusstsein.
Mein Gehilfe hat schnell gelernt, was dieser Blick bedeutet, und er misst sorgfältig die Elfenrinde ab, die die Gabe
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