Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Hemdes zu erschnuppern. Dann vertrieb ich das törichte Lächeln von meinem Gesicht und machte mich auf, um zu Kettricken zu gehen. Ich hatte Pflichten.
Und ich habe Hunger!
Die Stimme ertönte ohne Vorwarnung in meinem Kopf, und sofort meldete sich mein schlechtes Gewissen. Gestern hatte ich Cub nichts zu fressen gebracht. Über die Aufregung des Tages hatte ich ihn völlig vergessen.
Ein Fastentag schadet nichts. Außerdem habe ich unter einer Ecke des Menschenhauses ein Mäusenest gefunden. Glaubst du, ich bin völlig unfähig, für mich selbst zu sorgen? Doch eine ordentliche Mahlzeit wäre nicht schlecht.
Bald, versprach ich ihm. Zuerst muss ich noch etwas anderes tun.
In Kettrickens Empfangszimmer traf ich nur zwei Pagen an, die offenbar beim Aufräumen und Saubermachen waren, doch sie kicherten nur, als ich hereinkam. Sie konnten mir keine Auskunft über die Königin geben. Als Nächstes versuchte ich mein Glück in Mistress Hurtigs Webzimmer, da es ein freundlicher, sonniger Raum war, in dem die Burgfrauen gerne zusammensaßen. Nicht Kettricken, aber Lady Modeste war dort. Sie sagte mir, Ihre Hoheit habe geäußert, sie wolle an diesem Vormittag mit Prinz Veritas sprechen. Vielleicht war sie bei ihm.
Veritas wiederum befand sich weder in seinen Gemächern noch in seinem Kartenzimmer. Charim saß alleine am Tisch, blätterte in Pergamenten und sortierte sie nach Qualität. Veritas, erfuhr ich, hatte sich früh erhoben und sogleich auf den Weg zur Werft hinunter gemacht. Ja, Kettricken war hier gewesen, kurz nach Veritas’ Weggang, und nach dem Charim ihr gesagt hatte, was er wusste, ging sie ebenfalls. Wohin? Er zuckte nur mit den Schultern.
Mittlerweile knurrte mir der Magen, und ich begründete meinen Abstecher in die Küche mit der alten Weisheit, dass Klatsch und Tratsch dort am üppigsten wucherten. Vielleicht wusste jemand, wohin unsere Kronprinzessin gegangen war. Noch bestand kein Grund zur Sorge, sagte ich mir. Noch nicht.
Die Küche von Bocksburg entfaltete ihre größte Anziehungskraft und Behaglichkeit an kalten und windigen Tagen. Dampf aus brodelnden Töpfen vermischte sich mit dem nahrhaften Aroma von backendem Brot und schmorendem Bratenfleisch. Durchgefrorene Stallburschen lungerten herum, schwatzten mit den Mägden, stibitzten frische Brötchen und Käsereste, probierten den Eintopf und machten sich aus dem Staub, sobald Burrich in der Tür erschien. Ich schnitt mir ein Stück von dem kalt gestellten Pudding ab, der noch vom Frühstück übrig war, träufelte Honig darauf und legte ein paar Speckscheiben dazu, die die Köchin zum Auslassen in Würfel geschnitten hatte. Während ich aß, lauschte ich auf das, was gesprochen wurde.
Merkwürdigerweise war kaum von den Ereignissen des vorherigen Tages die Rede; wahrscheinlich brauchte man eine Weile, um das zu verarbeiten, was auf uns eingestürmt war. Doch unterschwellig machte sich etwas wie Erleichterung bemerkbar. Ähnliches hatte ich früher schon erlebt. So bei einem Mann, dem man seinen zerschmetterten Fuß amputiert hatte, oder bei der Familie, der man den Leichnam ihres ertrunkenen Kindes brachte. Endlich mit dem Schlimmsten konfrontiert zu sein, ihm mutig ins Gesicht zu sehen und sagen: »Ich kenne dich. Du hast mich verwundet, fast auf den Tod, aber ich lebe. Und ich werde weiterleben.« Das war die Stimmung, die bei den Leuten in der Küche vorherrschte. Alle hatten endlich die Schwere der Wunden akzeptiert, die uns von den Roten Korsaren geschlagen worden waren. Jetzt hatte man das Gefühl, dass die Heilung einsetzte und dass wir stark genug zur Gegenwehr waren.
Ich wollte dem Gesinde keinen Anlass zu neuen Tuscheleien geben, indem ich herumfragte, wo die Königin sein könnte. Dann hatte ich das Glück, dass einer der Stallburschen begann, über Federleicht zu reden. Denn etwas von dem Blut, das ich gestern an der Stute gesehen hatte, war ihr eigenes gewesen, und die Jungen erzählten, wie sie nach Burrich geschnappt hatte, als er sie verarzten wollte, so dass drei Mann nötig gewesen waren, um ihren Kopf zu halten. Ich mischte mich in das Gespräch ein: »Vielleicht wäre ein ruhigeres Tier besser als Reitpferd für unsere Königin geeignet«, meinte ich.
»Nein, nein. Unsere Königin mag Federleichts Stolz und Feuer. Das hat sie heute früh im Stall selbst zu mir gesagt. Sie kam, um nach dem Pferd zu sehen und zu fragen, ob man es schon wieder reiten könne. Mir war ein bisschen komisch, weil es doch die Königin war,
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