Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Platz, von dem aus ich sie beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Ganz gleich, was hier an Kurzweil geboten wurde, ob Sänger oder Dichter oder Puppenspieler auftraten oder ob man nur zusammengekommen war, um zu schwatzen und dabei kleine Arbeiten zu verrichten, meine Augen suchten allein Molly. Wie ernst und züchtig sie in ihrem dunkelblauen Rock und der dunkelblauen Bluse aussah! Und nie hatte sie einen Blick für mich. Immer redete sie mit den Burgfrauen, oder an den seltenen Abenden, wenn Philia sich entschloss herunterzukommen, saß sie neben dieser und machte sie zum ausschließlichen Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit, die verleugnete, dass es mich überhaupt gab. Manchmal dachte ich, mein kurzes Zusammensein mit ihr wäre nur ein Traum gewesen. Doch irgendwann später ging ich auf mein Zimmer und holte das Hemd hervor, das ich zuunterst in meiner Kleidertruhe versteckt hatte, und wenn ich dann mein Gesicht darin vergrub, glaubte ich immer noch, einen letzten Hauch ihres Duftes wahrnehmen zu können. Und so übte ich mich in Geduld.
Etliche Tage waren vergangen, seit wir die Entfremdeten auf ihrem Scheiterhaufen verbrannt hatten. Abgesehen von der Gründung der Königinnengarde gab es noch einige Veränderungen innerhalb und außerhalb der Burg. Zwei weitere Schiffsbaumeister waren unaufgefordert erschienen, um bei der Entstehung der Flotte mitzuarbeiten. Veritas war hocherfreut gewesen, Königin Kettricken aber tiefbewegt, denn ihr hatten sie ihre Dienste zuerst angeboten. Sie brachten ihre Gesellen mit, was die Zahl derer, die auf der Werft arbeiteten, nur noch vergrößerte. Nun brannten die Laternen sowohl vor Tagesanbruch als auch nach Sonnenuntergang. Natürlich war Veritas infolgedessen noch häufiger fort von der Burg und Kettricken bei meinen Besuchen dementsprechend noch bedrückter. Vergebens bemühte ich mich, sie mit Büchern und Ausflügen auf andere Gedanken zu bringen. Meistens saß sie an ihrem Webrahmen, hatte die Hände im Schoß liegen und wurde mit jedem Tag blasser und lustloser. Ihre düstere Stimmung wirkte ansteckend auf ihre Gesellschaftsdamen, so dass es in ihrem Gemach etwa so lustig zuging wie bei einer Totenwache.
Ich hatte auch nicht erwartet, Veritas irgendwann in seinem Arbeitszimmer vorzufinden. Er war natürlich wie immer unten bei seinen Schiffen. Charim teilte ich mit, man möchte mich rufen, wann immer der Prinz Zeit habe, mich zu empfangen. Bis ich schließlich entschlossen war, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, indem ich mich ganz nach Chades Rat selbst beschäftigte und gleichzeitig über die Königin wachte. So holte ich Würfel und Kerbhölzer aus meinem Zimmer und machte mich auf den Weg zu den Gemächern der Königin.
Ich hatte vor, sie in die Regeln der Glücksspiele einzuweihen, die sich bei Hof großer Beliebtheit erfreuten. Dies in der Hoffnung, die Liste ihrer Unternehmungen etwas zu bereichern. Meine zweite, uneingestandene Hoffnung war, dass sie durch diese Spiele Gelegenheit fand, ihren Bekanntenkreis zu erweitern, um weniger auf meine Gesellschaft angewiesen zu sein. Ihre trostlose Stimmung begann in zwischen auch mir die Tage zu vergällen, und oft wünschte ich mir aus tiefstem Herzen, von ihrer bedrückenden Gegenwart befreit zu sein.
»Als Erstes musst du ihr bei bringen zu mogeln. Nur sag ihr, das wäre die Art, wie das Spiel gespielt wird. Sag ihr, die Regeln erlauben, dass man mogelt. Ein paar Taschenspielertricks, leicht zu lernen, und sie könnte Edel ein-, zweimal den Beutel leeren, bevor er überhaupt auf den Gedanken kommt, sie zu verdächtigen. Und wenn er Verdacht schöpft, was kann er tun? Bocksburgs Herrin des Falschspiels bezichtigen?«
Das waren die Worte des Narrs, von wem sonst. Gemächlich schlenderte er plötzlich mit seinem Rattenzepter über der Schulter an meiner Seite. Auch wenn ich äußerlich nicht zusammenzuckte, wusste ich, dass er wusste, wie es ihm wieder einmal gelungen war, mich zu überrumpeln. Das Vergnügen darüber funkelte in seinen Augen.
»Ich könnte mir vorstellen, dass unsere Kronprinzessin es mir übel nähme, wenn ich ihr einen solchen Bären aufbinden wollte. Warum kommst du nicht lieber mit, um sie selbst aufzuheitern. Ich lasse die Würfel ganz aus dem Spiel, und du kannst für sie Kunststücke machen.«
»Für sie Kunststücke machen? Fitz, mein Guter, das tue ich dauernd, den lieben Tag lang, und für dich sind es nur meine Narrenpossen. Du siehst mich arbeiten und hältst es für
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