Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
reine Spielerei, während ich dich so ernsthaft beim Spielen von Spielen arbeiten sehe, die du nicht selbst ersonnen hast. Hör auf den Rat eines Narren - lehre die Lady nicht würfeln, sondern Rätselraten, und ihr werdet beide klüger.«
»Rätselraten? Das ist ein Spiel aus Bingtown, oder nicht?«
»Käme es in diesen Zeiten doch endlich in Bocksburg in Mode! Löse mir dieses Rätsel, wenn du kannst: Wie ruft man es, wenn man nicht weiß, wie man es ruft?«
»In solchen Spielen bin ich nie gut gewesen.«
»Auch kein anderer aus deinem Geschlecht, nach allem, was ich gehört habe. Dann antworte hierauf: Was hat Flügel in Listenreichs Schriftrolle, eine flammende Zunge in Veritas’ Buch, silberne Augen auf den Relltown Pergamenten und goldschuppige Haut in deinem Zimmer?«
»Das ist ein Rätsel?«
Er sah mich mitleidig an. »Nein. Ein Rätsel ist, was ich dich eben gefragt habe. Das ist einer der Uralten. Und das erste Rätsel war, wie ruft man einen herbei?«
Ich verlangsamte meine Schritte. Dann schaute ich ihn an, aber sein Blick ließ sich nicht fest halten. »Ist das nun ein Rätsel? Oder eine ernstgemeinte Frage?«
»Ja.« Der Narr nickte bekräftigend.
Ich blieb endgültig stehen, vollkommen verwirrt und musterte ihn stirnrunzelnd. Zur Antwort hielt er sich das Rattenzepter dicht vor die Augen. »Siehst du, Rätzelein, er weiß nicht mehr als sein Onkel oder sein Großvater. Keiner von ihnen wusste, wie man einen Uralten herbeiruft.«
»Mittels der Gabe«, entfuhr es mir.
Der Narr sah mich plötzlich seltsam an. »Du weißt davon?«
»Ich nehme an, dass es so ist.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Wenn ich da rüber nachdenke, halte ich es doch nicht für wahrscheinlich. König Weise ist einst auf eine lange Expedition gegangen, um die Uralten zu finden. Wenn er über die Gabe einfach zu ihnen gedacht haben könnte, wozu die Mühe?«
»Allerdings. Aber manchmal treffen vorschnelle Antworten nicht weit neben das Ziel. Löse mir dieses Rätsel, Junge. Ein König lebt. Ebenso ein Prinz. Und beide kundig der Gabe. Aber wo sind die, die mit dem König lernten oder vor ihm? Woher rührt dieser Mangel an der Gabe Kundigen, wenn wir ihrer so dringend bedürfen?«
»In Friedenszeiten werden nur wenige ausgebildet. Galen hielt es bis zu seinem letzten Jahr nicht für angebracht, Schüler zu nehmen. Und der Zirkel, den er schuf …« Ich schwieg. Was Veritas mir im Vertrauen über die Gabe erzählt hatte, war nicht für andere Ohren bestimmt.
Der Narr sprang im Kreis um mich herum. »Wenn der Schuh nicht passt, kann man ihn nicht tragen, wer auch immer ihn gemacht hat«, verkündete er dabei.
Ich nickte widerwillig.
»Und er, der ihn gemacht hat, ist dahingegangen. Traurig. Furchtbar traurig. Trauriger als ein Braten auf dem Tisch und roter Wein im Glas. Doch er, der gegangen ist, wurde seinerseits ausgebildet.«
»Von Solizitas. Aber sie ist ebenfalls tot.«
»Aha. Aber Listenreich nicht. Und Veritas genauso wenig. Mir scheint, wenn zwei, die sie schuf, noch atmen, müsste es andere geben. Doch wo sind sie?«
Ich zuckte die Schultern. »Verschwunden. Alt geworden. Gestorben. Ich weiß es nicht.« Trotz meiner Ungeduld bemühte ich mich, über die Frage nachzudenken. »König Listenreichs Schwester, Frohsinn, gleichzeitig die Mutter Augusts. Sie war vielleicht eine Kundige, aber sie ist schon lange tot. Listenreichs Vater König Wohlgesinnt, war, so glaube ich, der Letzte, der einen eigenen Zirkel hatte. Doch aus der Generation wird schwerlich noch einer unter den Lebenden weilen.« Ich biss mir auf die Zunge. Veritas hatte mir ein mal erzählt, Solizitas habe alle in der Gabe unterwiesen, die ihr vielversprechend erschienen. Von ihnen mussten tatsächlich noch welche zu finden sein. Sie waren höchstens zehn Jahre älter als Veritas.
»Von ihnen sind zu viele tot, wenn du mich fragst. Ich weiß es«, mischte sich der Narr in meinen Gedankengang ein. Ich sah ihn verdutzt an. Er streckte mir die Zunge heraus, vollführte ein paar Tanzschritte und begann erneut eine einseitige Unterhaltung mit dem Rattenkopf auf seinem Zepter. »Du siehst, Rätzelein, es ist, wie ich dir gesagt habe. Keiner von ihnen hat einen blassen Schimmer. Keiner von ihnen ist klug genug, um nachzufragen.«
»Narr, kannst du niemals so sprechen, dass man klug daraus werden könnte?«, rief ich verzweifelt.
Mitten in einer Pirouette senkte er seine Fersen auf den Boden und stand still, so wie aus Stein gehauen. »Würde es
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