Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
an den Vasallen ihres Gemahls richten würde. Aber ein keckes junges Mädchen an einen jungen Mann, auf den sie ein Auge geworfen hatte. Und dann sein Verhalten in der Nacht, als ich ihm von Molly und Philia erzählte und Philias Bemerkung über Pferde und Sättel wiederholte.
»Hat Chivalric davon gewusst?«, fragte ich.
Molly fuhr herum und sah mich an. Offenbar war es nicht die Frage, die sie von mir erwartet hatte, doch sie konnte gleichzeitig nicht der Versuchung widerstehen, die Geschichte zu Ende zu erzählen. »Nein. Zuerst nicht. Als er Philia vorgestellt wurde, hatte sie keine Ahnung, dass er Burrichs Herr war. Burrich hatte keine Namen genannt. Anfangs wollte Philia nichts von Chivalric wissen, denn sie hatte Burrich noch nicht vergessen. Aber Chivalric war Beharrlich. Wie Lacey sagt, liebte er sie bis zur Selbstaufgabe. Er gewann ihr Herz. Erst nachdem sie seine Werbung angenommen hatte, erfuhr sie, dass Burrich in seinem Dienst stand. Und das auch nur, weil Chivalric ihn beauftragt hatte, ihr ein besonderes Pferd zu überbringen.«
Burrich im Stall fiel mir ein, wie er Philias Damenreitpferd betrachtete und sagte: »Dieses Pferd habe ich ausgebildet.« Ich fragte mich, ob er womöglich gewusst hatte, dass Seidenlocke für eine Frau bestimmt war, die er womöglich immer noch liebte, als Geschenk des Mannes, dem sie sich vermählen würde. Wahrscheinlich. Ich hatte Philias Abneigung gegen Burrich immer für Eifersucht gehalten, weil Chivalric ihn so sehr schätzte. Nun kam ans Licht, dass das Dreiecksverhältnis noch viel seltsamer gewesen war als vermutet. Und schmerzlicher. Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf über die Ungerechtigkeit der Welt. »Nichts ist jemals nur einfach und gut«, sagte ich vor mich hin. »Irgendwo ist immer ein Stück bittere Schale, ein saurer Kern verborgen.«
»Ja.« Mollys Zorn schien verraucht zu sein. Ich sank auf die Bettkante nieder, und so wie ich mich neben sie setzte, stieß sie mich nicht weg. Ich nahm ihre Hand und hielt sie fest. Tausend Gedanken jagten durch meinen Kopf. Dass Philia Burrichs Trinkgelage hasste. Dass Burrich sich an ihren Schoßhund erinnert hatte und wie sie ihn immer in einem Korb herumzutragen pflegte. Mit welcher Sorgfalt er auf sein Äußeres und sein Benehmen achtete. »Dass du eine Frau nicht sehen kannst, heißt nicht, dass sie dich nicht sieht.« O Burrich. Die Zeit, die er sich immer noch nahm, um ein Pferd zu striegeln, das sie kaum noch ritt. wenigstens war es Philia vergönnt gewesen, eine neue Liebe zu finden. Sie hatte mit ihrem Gemahl einige glückliche Jahre verbracht, wenngleich überschattet von politischen Intrigen. Doch immerhin einige glückliche Jahre. Was würden Molly und ich jemals haben? Nur was Burrich geblieben war?
Sie lehnte sich an mich, und ich hielt sie lange fest. Das war alles. Doch in dieser Nacht, als wir unseres ungewissen Schicksals gegenwärtig wurden und ahnten, dass wir uns verlieren könnten, da waren wir uns so nahe wie schon lange nicht mehr.
KAPITEL 21
SCHWARZE TAGE
I n den Jahren der Heimsuchung durch die Roten Schiffe herrschte Eyod als König im Bergreich. Nach dem Tod seines älteren Sohnes Rurisk war seine Tochter die einzige Erbin des Throns. Ihre Heirat mit Veritas sicherte uns deshalb nicht nur einen verlässlichen Bundesgenossen während dieser schweren Jahre, sondern versprach für die Zukunft zusätzlich noch die Erweiterung des Reichs um eine ›siebente Provinz‹. Wegen der Tatsache, dass das Bergreich nur mit den beiden Inlandprovinzen Tilth und Farrow eine gemeinsame Grenze hatte, beobachtete Kettricken mit zunehmender Sorge die innenpolitischen Differenzen in ihrer neuen Heimat. Als sie Veritas’ Kronprinzessin wurde, machte sie das Volk der Sechs Provinzen zu ihrem eigenen, doch sie wird nie vergessen haben, dass, sollte König Eyod sterben, ihre Landsleute ebenfalls Anspruch auf sie erheben würden. Wie konnte sie ihren Verpflichtungen gerecht werden, wenn Farrow und Tilth zwischen ihr und ihrem Volk lagen, nicht als Teil der Sechs Provinzen, sondern als Feindesland?
Der nächste Tag brachte stürmisches Wetter. Dies war verbunden mit einer recht zwiespältigen Freude. Einerseits brauchten wir keine Angriffe zu fürchten, andererseits waren zwei ruhelose und einander nicht gerade wohlgesonnene Trupps Soldaten gezwungen, müßig in den Baracken auszuharren. Doch vor allem oben im Palas war Bearns sehr gegenwärtig, während Edel mit Abwesenheit glänzte. Wann
Weitere Kostenlose Bücher