Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
ihrem Eintritt blickten Philia und Lacey von dem Teufelswurz auf, den sie über kochendem Wasser dämpften, um sie mit einem flüchtigen Knicks und einigen gemurmelten Worten zu begrüßen.
»Was ist ihm zugestoßen?«, verlangte Kettricken zu wissen. Ich erzählte es ihr und auch alles, was Burrich dem König berichtet hatte, denn ich fand, sie hatte nicht weniger Recht, etwas über ihren Gemahl zu erfahren, wie der König auf Nachricht von seinem Sohn. Als ich bei der Erzählung zu dem Angriff auf Veritas kam, erbleichte sie erneut, schwieg aber, bis ich geendet hatte. »All unseren Göttern sei Dank, dass er sich meinen Bergen nähert. Dort ist er sicher, wenigstens vor böswilligen Menschen.« Damit trat sie zu Philia und Lacey, die inzwischen die gedämpfte Wurzel zu einer breiigen Masse zerstampft hatten, die jetzt abkühlen musste, bevor man sie auf die Infektion auftragen konnte.
»Ein Auszug aus den Beeren der Eberesche eignet sich hervorragend zum Spülen solcher Verletzungen«, schlug sie vor.
Philia blickte verlegen zu ihr auf. »Davon habe ich gehört. Aber dieses warme Breipflaster wird helfen, die Entzündung aus der Wunde zu ziehen. Eine weitere gute Spülung für Wundwucherungen sind Himbeerblätter und die innere Rinde der Rotulme. Oder ein Umschlag davon.«
»Wir haben keine Himbeerblätter«, erinnerte Lacey ihre Herrin. »Sie sind feucht geworden und verschimmelt.«
»Ich habe Himbeerblätter, falls welche gebraucht werden«, warf Kettricken leise ein. »Morgens gieße ich mir davon oft einen Tee auf. Es ist ein Mittel, das ich von meiner Tante habe.« Sie senkte den Blick, und ein rätselhaftes Lächeln umspielte ihren Mund.
»Ach ja?«, Lacey merkte auf.
»O meine Liebe«, rief Philia plötzlich aus. Mit einer gänzlich ungewohnten Geste schwesterlicher Vertraulichkeit ergriff sie Kettrickens Hand. »Seid Ihr sicher?«
»Ja. Erst dachte ich, es wäre nur … Aber dann machten sich die anderen Anzeichen bemerkbar. Manchmal genügt morgens schon der Geruch des Meeres, damit mir schlecht wird. Und ich möchte nichts anderes tun, als immerzu schlafen.«
»Aber das solltet Ihr ruhig tun«, rief Lacey lachend. »Und die Übelkeit, die vergeht nach den ersten paar Monaten.«
Ich stand völlig abseits da und rührte mich nicht, so ausgeschlossen und vergessen fühlte ich mich plötzlich. Alle drei Frauen schienen durch ein unsichtbares Band zu einer verschworenen Gemeinschaft verbunden zu sein. »Kein Wunder, dass Ihr Euch solche Sorgen um ihn macht. Hat er es vor dem Aufbruch gewusst?«
»Da ahnte ich selbst noch nichts. Ich sehne mich so da nach, es ihm zu sagen, den Ausdruck auf seinem Gesicht zu sehen.«
»Ihr seid guter Hoffnung«, sagte ich einfältig. Die drei wandten sich zu mir um und brachen in schallendes Gelächter aus.
»Noch weiß außer euch niemand etwas davon«, warnte Kettricken. »Ich will nicht, dass die Neuigkeit in der ganzen Burg herum ist, bevor ich mit dem König gesprochen habe. Ich möchte diejenige sein, die es ihm sagt.«
»Selbstverständlich«, stimmte ich ihr zu und sagte nicht, dass der Narr von ihrem Glück vielleicht schon länger wusste als sie selbst. Veritas’ Kind, dachte ich und spürte, wie mich ein eigenartiges Frösteln überkam. Das war die Verzweigung des Pfades, die der Narr gesehen hatte, die plötzliche Vervielfachung der Möglichkeiten. Und Edel? Der ehrgeizige jüngste Sohn würde dadurch gezwungen werden, einen weiteren Schritt vom Thron zurückzutreten. Ein weiteres kleines Leben trat zwischen ihn und der Macht, die er begehrte. Das konnte ihm ganz und gar nicht gefallen.
»Selbstverständlich«, wiederholte ich mit größerem Nachdruck. »Es soll erst noch ein Geheimnis bleiben.« Denn ich war sicher, sobald erst die frohe Kunde sich verbreitete, schwebte Kettricken in ebenso großer Gefahr wie ihr Gemahl.
KAPITEL 23
DROHUNGEN
I n diesem Winter sah man die Grafschaft Bearns Stück für Stück auseinanderbrechen, so wie eine Steilküste unter dem Anprall der Brandung unaufhaltsam zerbröckelt. Anfangs sandte der Herzog in regelmäßigen Abständen Kuriere an Kettricken, und was er ihr mitzuteilen hatte, klang durchaus erfreulich. Ihre Opale halfen, Holüber neu erstehen zu lassen. Die Einwohner ließen ihr nicht nur mit Worten danken, sondern übersandten ihr eine kleine Schatulle mit den winzigen Perlen, die man dort als besonders wertvoll schätzte. Das war bemerkenswert. Denn was als zu kostbar galt, um selbst für den
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