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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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glaubte, Veritas wäre tot.« Ich griff in den Nacken, wo mein Haar mit einem Lederband zusammengefasst war.
    »Ich habe eine Schere«, meinte Chade peinlich berührt. Er holte sie und stellte sich hinter mich. »Wie kurz?«
    Ich dachte nach. »So kurz wie möglich, aber nicht ganz so kurz, als würde ich um einen gekrönten König trauern.«
    »Bist du sicher?«
    »Edel würde es von mir erwarten.«
    »Du könntest Recht haben.« Die Schere schnappte einmal, und Chade hatte mir das Haar dicht über dem Knoten meines Zopfes abgeschnitten. Ein seltsames Gefühl, als es plötzlich in mein Gesicht schwang, so kurz, als wäre ich wieder ein Page. Ich hob die Hand und strich mir prüfend über den Hinterkopf, während ich ihn fragte: »Was wirst du tun?«
    »Versuchen, einen sicheren Ort für Kettricken und den König zu finden. Alles für ihre Flucht vorbereiten. Wenn sie fliehen, müssen sie verschwinden wie Schatten vor dem Licht.«
    »Muss das wirklich sein?«
    »Was bleibt uns denn sonst übrig? Sie sind jetzt nicht mehr als Geiseln. Die Inlandprovinzen haben sich Edel zugewandt, die Herzöge von der Küste haben das Vertrauen zu König Listenreich verloren. Doch Kettricken hat sich Verbündete unter ihnen geschaffen. Ich muss an den Fäden ziehen, die sie gesponnen hat, und sehen, was sich arrangieren lässt. Wenigstens können wir dafür sorgen, dass sie nicht greifbar sind, um als Druckmittel gegen Veritas eingesetzt zu werden, wenn er zurückkehrt, um seinen Thron zu fordern.«
    »Falls er zurückkehrt«, meinte ich pessimistisch. »Wenn er zurückkehrt werden die Uralten bei ihm sein.« Chade warf mir einen missbilligenden Blick zu. »Gib dir Mühe, an irgendetwas zu glauben, Junge. Mir zuliebe.«
     
    Zweifellos war die Zeit, die ich unter Galens tyrannischer Vormundschaft verbrachte, der schlimmste Abschnitt meines Lebens in Bocksburg. Aber die Woche, die auf jenes Gespräch mit Chade folgte, sollte dem damals Erlebten nahe kommen. Wir waren wie ein Ameisenhaufen, der auseinandergetreten wurde. Wohin ich in der Burg meinen Schritt auch lenkte, überall wurde ich da ran erinnert, dass die Grundfesten meines Lebens zerstört waren. Nichts würde je wieder sein wie zuvor.
    Wir erlebten einen großen Zustrom von Besuchern aus den Inlandprovinzen, die an reisten, um dabei zu sein, wenn Edel zum Thronfolger ernannt wurde. Wären unsere Stallungen nicht bereits so leer gewesen, hätten Burrich und Flink Mühe gehabt, all die fremden Pferde unterzubringen und zu versorgen. Man gewann den Eindruck, dass die Inländer allgegenwärtig waren, jene hochgewachsenen, hellhaarigen Farrower und jene strammen Bauern und Viehzüchter aus Tilth. Sie waren ein lebhafter Kontrast zu den ernsten Bocksburgern, die ihr Haar zum Zeichen der Trauer gestutzt hatten. Es gab nicht wenige Zusammenstöße. Das Murren aus Burgstadt erreichte uns in der Form von Witzen, die die Invasion der Inländer mit den Raubzügen der Outislander verglichen. Dieser Humor hatte einen bitteren Beigeschmack.
    Auch ganz ohne die Unterstützung der Outislander nahm die Plünderung von Bocksburg in großem Stil ihren Fortgang. Zimmer wurden schamlos leergeräumt. Wandbehänge und Teppiche, Möbel und Werkzeug, Vorräte aller Art wurden auf Lastkähne verladen und flussaufwärts nach Burg Fierant gebracht, immer ›zur Sicherheit‹ oder ›zur Bequemlichkeit Seiner Majestät‹. Mistress Hurtig war mit ihrer Weisheit am Ende - wie sie so viele Gäste unterbringen sollte, wenn das halbe Mobiliar hinausgetragen wurde. An manchen Tagen schien es, als sei Edel entschlossen, dafür zu sorgen, dass alles, was er nicht mitnehmen konnte, aufgezehrt oder getilgt wurde, bevor er Bocksburg den Rücken kehrte.
    Zur selben Zeit scheute er keine Ausgaben, um sicherzugehen, dass seine Krönung zum offiziellen Thronfolger mit so viel Zeremoniell und Pomp über die Bühne ging wie nur möglich. Ich konnte nicht begreifen, weshalb er sich diese Mühe machte. Meiner Ansicht nach plante Edel, vier der Sechs Provinzen ihrem Schicksal zu überlassen. Doch der Narr hatte mich einmal gewarnt, wie sinnlos es war, Edels Weizen mit meinem Scheffel messen zu wollen. Wir hatten keine gemeinsamen Maßstäbe. Vielleicht war sein Beharren darauf, dass die Herzöge von Bearns und Rippon und Shoaks kommen und bezeugen sollten, wie er sich Veritas’ Krone aufs Haupt setzte, eine subtile Form der Rache, die ich nicht verstand. Jedenfalls schien es ihn nicht zu kümmern, was es für sie

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