Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
tobten die Winterstürme und gewährten uns ihren ganz eigenen Schutz.
    Ich bewegte mich mit der Vorsicht eines Trunkenen und vermied es, gesehen und angesprochen zu werden. Für einen arglosen Beobachter machte ich wohl einen recht verfrorenen Eindruck, denn ich hatte die Arme um den Leib geschlungen und die Schultern nach vorn gebeugt, um das Zittern zu unterdrücken, das in Wellen meinen Körper durchflutete. Gedankenverloren stieg ich Stufe um Stufe die Treppe hinauf. Auf dem ersten Treppenabsatz blieb ich stehen und zählte langsam bis zehn, bevor ich weiterging.
    Kaum hatte ich den Fuß auf die nächste Stufe gesetzt, als mir von oben Lacey entgegenkam. Eine rundliche Person, mehr als ein Dutzend Jahre älter als ich, doch sie hüpfte die Treppe hinunter wie ein kleines Mädchen. Mit einem lauten: »Da bist du ja!«, stürzte sie sich auf mich, als wäre ich eine verlorengegangene Schere aus ihrem Nähkorb. Ehe ich mich’s versah, hatte sie meinen Arm ergriffen und schob mich unerbittlich den Korridor entlang. »Ich bin heute mindestens hundertmal diese Treppe hinauf- und hinuntergelaufen. Meine Güte, bist du gewachsen! Prinzessin Philia ist fast nicht mehr sie selbst, und das ist deine Schuld. Sie rechnet fest damit, jeden Augenblick dein Klopfen an der Tür zu hören. Und wie glücklich sie über deine Rückkehr war!« Sie schaute aus ihren glänzenden Vogelaugen zu mir auf. »Wenigstens heute Morgen noch«, bekannte sie und fügte hinzu: »Du musst krank gewesen sein. Bei diese Ringen unter deinen Augen …«
    Ohne dass ich Gelegenheit gehabt hätte, etwas einzuwerfen, setzte sie ihren Redeschwall fort. »Als du dich am frühen Nachmittag immer noch nicht hattest blicken lassen, wurde sie langsam ärgerlich. Beim Abendessen war sie dermaßen empört über deine Unhöflichkeit, dass sie kaum einen Bissen hinunterbrachte. Seither hat sie beschlossen, den Gerüchten Glauben zu schenken, die sagen, du wärst dem Tode nahe gewesen. Sie ist überzeugt, dass du entweder irgendwo zusammengebrochen bist oder dass Burrich dich zwingt, den Stall auszumisten, obwohl du der Schonung bedarfst. Nun, da wären wir, hinein mit dir, hier bringe ich ihn, Mylady.« Und sie bugsierte mich mit Schwung in Philias Gemächer.
    Laceys Geplauder hatte bei aller Munterkeit einen merkwürdigen Unterton, als redete sie um etwas herum. Ich zögerte an der Tür und fragte mich, ob Philia vielleicht krank war, oder sollte ihr etwa ein Unglück zugestoßen sein? Falls das eine oder andere zutraf, waren ihre Lebensgewohnheiten davon unbeeinflusst geblieben. In ihren Gemächern herrschte ein unverändertes Chaos. All das Grün zeug rankte und wuchs und wucherte und verlor seine Blätter. Ihre Menagerie hatte sich um zwei Tauben erweitert. Ein Dutzend oder mehr Hufeisen lagen im Zimmer verstreut. Auf dem Tisch brannte eine dicke Myricakerze und verbreitete einen angenehmen Duft, gleichzeitig tropfte aber Wachs auf einige getrocknete Blumen und Kräuter auf dem Tablett daneben. Ein Bündel eigenartig geschnitzter fingerlanger Stäbe war ebenfalls bedroht. Es schienen Wahrsagehölzer zu sein, wie die Chyurda sie benutzten. Als ich eintrat, kam ihre drahtige kleine Terrierhündin angelaufen, um mich schwanzwedelnd zu begrüßen. Ich bückte mich, um sie zu streicheln, und fragte mich dann, ob das klug gewesen war. Um meine Unsicherheit zu überspielen, hob ich vorsichtig eine Schrifttafel vom Boden auf. Es war ein altes, vermutlich wertvolles Stück über den Gebrauch der Wahrsagehölzer. Philia wandte sich von ihrem Webrahmen ab, um mich zu begrüßen.
    »Lieber Himmel, steh auf und sei nicht so albern«, rief sie aus. »Niederknien ist Unfug, oder willst du mich vergessen machen, wie unhöflich du gewesen bist, nicht gleich zu mir zu kommen? Was hast du mir da mitgebracht? Oh, wie umsichtig von dir. Wie konntest du wissen, dass ich mich damit beschäftige? Ich habe die gesamte Bibliothek durchsucht und fast gar nichts über die Zukunftsstäbchen gefunden!«
    Sie nahm mir die Tafel aus der Hand und sah, über das vermeintliche Geschenk lächelnd, zu mir auf. Hinter ihrem Rücken zwinkerte Lacey mir zu, und ich hob kaum merklich die Schultern. Philia hatte die Schrifttafel zu anderen auf einen gefährlich schiefen Stapel gelegt und schenkte mir wieder ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Allerdings veränderte sich ihre anfangs noch freundliche Miene, als sie sich wieder an den Groll erinnerte, den sie gegen mich hegte. Sie runzelte die Brauen über

Weitere Kostenlose Bücher