FJORD: Thriller (German Edition)
Lieblingsszene, die sie wieder und wieder abgespielt hatten. Nur diese Szene, nicht den ganzen Film.
Erik veränderte den Rhythmus seiner Schläge. Die Abfolge zauberte ein müdes, schwaches Lächeln in sein Gesicht. Was für eine Ironie , dachte er.
47
Für Carl Morgan kam jede Hilfe zu spät. Noah war ebenso erschüttert wie Magnus. Dieser saß auf einer Bank, starrte vor sich hin und reagierte auf keine Ansprache. Noah hatte ihn flüchtig untersucht und ihm ein Digitalis-Präparat für sein Herz verabreicht.
Der Schuss hatte einen großen Tumult im Hotel und in der angrenzenden Nachbarschaft ausgelöst. Noah stellte Ole Nielson mit dem Auftrag vor die Tür, niemanden hereinzulassen.
Müde setzte er sich auf eine Bank und ließ sich telefonisch mit den Behörden in Trondheim verbinden. Einer musste ihnen ja sagen, was hier los war. Vielleicht konnte man ihm auch schon mitteilen, wann denn endlich Verstärkung kommen würde.
Nachdem er sich mühsam durchgefragt hatte, wurde er mit dem für Kongesangers Verwaltungsbezirk zuständigen Polizeioffizier verbunden, der seinen Ohren nicht trauen wollte. Mord, Entführung und Brandstiftung im beschaulichen Kongesanger? Der Ortspolizist Tor Einar Hetland entführt oder gar tot? Zwei weitere Personen vermisst? Der altgediente Carl Morgan soll ein Irrer gewesen sein? Wer sprach hier nochmal? Ein Arzt? Nein, niemand habe um Verstärkung ersucht. Das alles komme völlig überraschend. Natürlich schicke man augenblicklich ein Ermittlungsteam los. Der Offizier würde sogar selbst mitkommen, um persönlich nach dem Rechten zu sehen.
Noah bemerkte die Ungläubigkeit in der Stimme seines Gegenübers. Er verübelte es ihm nicht. Dachte er über die Vorkommnisse der letzten Tage und über die vermutlich noch auszustehenden nach, zweifelte er genauso am Erlebten.
Der alte Arzt wusste nur eines: Egal, wie die Suche auch ausgehen würde – sobald die Polizei die Ermittlungen abgeschlossen hatte, würde er in den längst fälligen Ruhestand gehen. Ob es nun einen Nachfolger gab oder nicht. Das hier war nicht mehr seine Welt.
Die letzten Stunden und Tage hatten ihm deutlich gezeigt, wie kostbar das Leben war und wie schnell und unverhofft man es auf grausige Weise verlieren konnte. Eine Tatsache, die ihm als Arzt früher einmal bewusst gewesen war, die er aber, auf sein eigenes Leben umgemünzt, leider über sein Pflichtbewusstsein hin vergessen hatte.
48
Odin dämmerte vor sich hin. Sein Körper wand sich im Rausch. Alles war gut.
Dam-tadada-dam … Dam-Damm! Dam-tadada-dam … Dam-Damm!
Ein Lächeln zog über sein Gesicht. Er träumte von Roger Rabbit. Dem Film, den er sich bestimmt tausendmal mit Erik angesehen hatte. Damals. Als die Welt noch ohne Drogen funktioniert hatte. Als sie jung gewesen waren.
Dam-tadada-dam …
Der Rhythmus ihrer gemeinsamen Lieblingsszene. Wieder und wieder hatten sie diese laufen lassen, zurückgespult, laufen lassen und Tränen gelacht.
Dam-tadada-dam … Dam-Damm!
Roger Rabbit kam auf Odin zu, zwickte ihn in die Wangen, hob ihn daran hoch und versetzte ihm einen kräftigen Schmatz, gefolgt von einer Ohrfeige.
Odin schreckte hoch. Was war Traum, was Realität? Halluzinierte er? Wieso hatte Roger Rabbit ihn geküsst und dann geohrfeigt? Und wieso hörte er immer noch diesen unwiderstehlichen Rhythmus? Odin rieb sich die Augen, schüttelte den Traum ab und versuchte, sich auf das Geräusch zu konzentrieren.
Da war es wieder! Dam-tadada-dam … Dam-Damm! Als würde jemand auf eine Basstrommel hämmern. Odin erschrak noch einmal. Das bedeutete, ein anderer war in der Nähe. Seine Gedanken führten ihn sofort zu Runar Mortensen und Sven Larsen. Wenn die beiden ihn in diesem Zustand finden würden, konnte er sein Testament machen. Sofern sie ihm die Zeit lassen würden, was er bezweifelte. Mist.
Er schleppte sich auf die Füße, so schnell es ging, taumelte zum Fenster und sah hinaus, doch es war niemand zu sehen. Erneut hörte er das Klopfen. Es musste von einem der rostigen Kähne kommen, die genau gegenüber vertäut waren.
Dam-tadada-dam …
Erik! Das konnte doch nur Erik sein! Was machte er hier?
Odin holte seine Taschenlampe und folgte dem Geräusch, das immer schwächer wurde, die Abstände zwischen den einzelnen Schlägen immer länger und unregelmäßiger. Schnell war ihm klar, aus welchen Boot das Signal kam. Leise ging er an Bord. Nun konnte er das Klopfen nicht nur hören, sondern auch
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