Flames 'n' Roses
süß ausgesehen hätte. Und was noch überraschender war: Er wirkte nicht viel älter als ich.
Kurz darauf öffnete er die Augen und fing meinen Blick ein. Farbe durchströmte ihn – wieder lieh er sich meinen Körper aus. Nur die Augen flackerten, als suche er immer noch nach dem richtigen Farbton.
»Was bist du?«, flüsterte ich.
»Was bist du denn?«
Empört hob ich die Augenbrauen. »Ein Mensch.«
»Komisch, ich auch.«
»Nein, bist du nicht.«
»Komisch, du auch nicht.«
Ich presste die Kiefer aufeinander und warf ihm einen finsteren Blick zu. Was für ein Vollidiot. »Warum bist du hergekommen?«
Meine Stimme kam aus seinem Mund, was mich immer noch aus der Fassung brachte: »Das könnte ich dich genauso gut fragen. Hast du vor, mich umzubringen?«
Einen piiiieeep Tag noch!
»Ich – nein, so was macht die IBKP nicht«, antwortete ich. »Die töten keine Paranormalen, sondern –«
Lend hob die Hand, um mich zu unterbrechen und setzte sich auf. Seine großen Augen wurden schmal. »Hast du vor, mich umzubringen?«
»Warum sollte ich dich denn umbringen?«
Nach einem Augenblick stieß er einen tiefen Seufzer aus. »Nein, ich glaube nicht, dass du es bist.«
»Was bin ich nicht?«
Er stand auf und streckte sich. Hatte ich schon erwähnt, wie eigenartig es war, meinem Körper bei solchen Sachen zuzusehen? Sogar meine Haare hatte er genau getroffen – an diesem Morgen waren sie ein bisschen zerzaust, ich hatte noch keinen Nerv gehabt, sie zu bürsten.
»Kannst du dich nicht wieder in deinen Normalzustand zurückverwandeln?« Ich wollte ihn gern weiter ansehen, jetzt, da ich ihn besser erkennen konnte.
Er lächelte und zeigte mir meine perfekten Zähne. Mann, für dieses Lächeln hatte ich drei Jahre Zahnspange ertragen müssen, da war es ja wohl absolut unfair, dass er es in nur einer Sekunde abkupfern konnte. »Normal? Was soll das sein?«
»Na, so, wie du wirklich aussiehst.«
»Kannst du dich bitte mal kurz nackt ausziehen?«
Okay, das war das Schrägste, was ich je erlebt hatte – ich hatte mich gerade selbst gebeten, mich auszuziehen. Viel gruseliger konnte es wohl kaum noch werden. »Warum sollte ich das denn bitte machen?«
»Du hast mich doch auch gerade aufgefordert, mich nackt vor dich zu stellen. Ich dachte, das ist nur fair.«
»Ich meinte doch bloß, dass du aufhören sollst, ich zu sein. Sei du selbst. Nur eben mit Klamotten.«
»Das hier sind meine Klamotten. Aber wenn’s dir so viel ausmacht …« Ich schmolz von ihm herunter und er wuchs ein Stückchen. Statt meines Ebenbildes stand mir jetzt ein Typ in meinem Alter gegenüber. Schwarze Haare, dunkelbraune Augen, olivfarbene Haut. Ach ja, und absolut heiß. So heiß, dass er eigentlich in eine der Serien gehört hätte, nach denen ich so süchtig war. »Besser so?« Seine Stimme hatte sich auch verändert, sie war jetzt viel tiefer. Ich wünschte, ich würde gerade tatsächlich mit so einem Typen reden.
»Definitiv.« Ich guckte genauer hin. Untendrunter war er immer noch Lend. Selbst diese dunklen Augen schafften es nicht, den wasserhellen Glanz seiner eigenen zu verbergen. Ich konnte ihn durchschimmern sehen. »Der hier kommt eigentlich immer ganz gut an.«
»Kann ich mir vorstellen.« Neugierig runzelte ich die Stirn. »Wie hört sich deine echte Stimme an?«
»Wie kommst du darauf, dass es nicht diese hier ist?«
»Ich hab das Gefühl, sie müsste anders klingen. Sanfter. Wie Wasser.« Mir fiel auf, wie albern sich das anhören musste. Aber sein Lächeln verschwand und er musterte mich prüfend.
»Wenn du nicht hier bist, um mich umzubringen, was willst du dann hier, Evie?«
Mann, wie peinlich. Ganz ohne Make-up und total verstrubbelt stand ich vor dem schärfsten Typen, der mir je begegnet war, egal ob Fälschung oder nicht. Ja, was wollte ich eigentlich hier? »Ich arbeite hier.«
Sein Lächeln kehrte zurück, diesmal wieder mit dem typisch ironischen Zug um die Lippen. »Na klar. Du arbeitest hier. Ziemliche Karriere für jemanden in deinem Alter.«
»Du bist auch nicht viel älter als ich.« Mittlerweile konnte ich ihn so genau erkennen, dass ich mir dessen sicher war. Ehemaligen Sterblichen wie zum Beispiel Vampiren sieht man ihr wahres Alter an – unter dem Cover sind ihre Körper alt und eklig. Echte Unsterbliche bleiben zwar ewig jung, aber ihre Gesichter verändern sich trotzdem. Die Jahre hinterlassen allerdings keine Falten, sondern glätten sie eher, wie bei einem Stück Glas, das lange auf dem
Weitere Kostenlose Bücher