Flames 'n' Roses
schließlich langsam in Richtung meines Herzens.
»Mein Herz«, flüsterte er. Ich nickte, den Kopf an seiner Wange. Sein Herz.
Mein Videobildschirm piepte und riss mich aus meiner Trance. Ich machte einen Satz rückwärts und stieß Reth von mir weg. Nach und nach zog sich die Wärme von meinem Herzen zurück. Das war knapp gewesen. Viel zu knapp.
Enttäuscht streckte Reth die Arme nach mir aus.
Ich fluchte. »Verdammt, was soll das? Raus hier! Und zwar sofort!«
»Evelyn.« In Verbindung mit der Wärme, die noch in mir brannte, zog mich seine Stimme an wie ein Magnet. Gegen meinen Willen beugte ich mich ihm entgegen.
»Nein!« Ich entriss mich seinem Sog, rannte zur Theke, die das Wohnzimmer von der Küche trennte, und schnappte mir meinen Kommunikator. »Raus.« Den Finger über dem Panikknopf, starrte ich ihn wütend an. Sein schönes Gesicht wurde traurig. Am liebsten hätte ich ihn getröstet. Ich schloss die Augen und senkte langsam meinen Zeigefinger. »Raus. Sofort.«
Durch meine geschlossenen Lider nahm ich das Licht einer sich öffnenden Tür wahr und wartete ab, bis es wieder dunkler wurde. Erst dann öffnete ich die Augen wieder. Reth war nicht mehr da.
Ich ging zu meinem Videobildschirm und schaltete ihn ein. »Wozu sind eigentlich diese verdammten Hightech-Türen mit Handabdruck-Erkennung gut, wenn die Feen sowieso ihre eigenen Pforten machen und kommen und gehen können, wie sie wollen!«, schrie ich Lish an. Überrascht und betroffen riss sie die grünen Augen auf. Ich atmete tief durch. Sie konnte ja nichts dafür. »Danke für die Unterbrechung«, fügte ich hinzu.
»Reth?«
»Wer sonst. Kannst du einen Bericht für mich einreichen?«
»Ja, natürlich. Wir werden versuchen, seine Instruktionen noch eindeutiger zu gestalten.«
Ich schüttelte den Kopf. Er fand ja doch immer einen Weg, sie zu umgehen. Ich tippte darauf, dass er beschlossen hatte, den heutigen Befehl, mich zu holen, einfach als Freifahrschein zu verstehen und nicht als einmaligen Auftrag.
»Was wolltest du eigentlich?«
Sie wirkte ein bisschen verschämt. »Ich wollte nur fragen, was das für eine Störung heute war. Aber das kann auch bis morgen warten.«
»Gut, ich bin echt ziemlich fertig. Ich komme dich morgen besuchen und dann erzähl ich dir alles, okay?«
»Willst du vielleicht bei mir schlafen?« Als ich neu in der Zentrale war, hatte ich, wenn ich nachts schlecht träumte, meine Bettdecke und mein Kissen rüber zu Lishs Aquarium geschleift und daneben auf dem Boden übernachtet. Sie hatte mir immer so lange Geschichten erzählt, bis ich eingeschlafen war. Einen Moment lang war ich wirklich in Versuchung, aber dann kam es mir doch zu blöd vor, mir wegen so eines dämlichen Feentypen ins Hemd zu machen.
»Geht schon.« Ich zwang mich zu lächeln. »Trotzdem danke. Gute Nacht, Lish.«
Die Augen der Meerjungfrau erwiderten mein Lächeln und der Bildschirm wurde schwarz.
Ich ließ mich wieder auf die Couch fallen. Reth war mir so nahegekommen. Schon wieder. Und – und das war am schlimmsten von allem – ein Teil von mir wünschte sich, wir wären nicht unterbrochen worden. Dabei hatte ich den Umgang mit Feen auf die harte Tour erlernt. Alles, worauf die aus sind, ist, Macht über dich zu haben, damit sie dich ausnutzen können. Aber anders als den Jungs aus den Fernsehserien geht es ihnen dabei nicht um Sex. So was ist ihnen völlig wurscht. Sie wollen dein Herz, deine Seele. Und das würde Reth nie wieder von mir kriegen.
Dieser Entschluss trug allerdings auch nicht dazu bei, dass ich ihn weniger schmerzlich vermisste.
Den Rest der Nacht verbrachte ich hellwach und, obwohl ich mich in drei Decken gewickelt hatte, bibbernd vor Kälte. Als die Uhr schließlich auf vier sprang, gab ich auf. Ich zog mir meine wärmsten Klamotten an und ging runter zum Verwahrungstrakt.
Lend hatte sich auf dem Boden zusammengerollt und schlief. Ich setzte mich an die gegenüberliegende Wand und sah fasziniert zu, wie sein Körper sich durch verschiedene Identitäten zappte, so wie ich mich durch Fernsehprogramme. Nach vielleicht einer Stunde nahm er seine seltsame Grundform aus Wasser und Licht an. Ich war mittlerweile so müde, dass ich den Blick kaum noch auf ihn fokussieren konnte – und mit einem Mal sah ich ihn. Es war, als würde seine wahre Gestalt sich wie von selbst zeigen, sobald man sich nicht mehr solche Mühe gab, ihn zu sehen. Er hatte Haare und ein normales Gesicht – das mit ein paar Pigmenten sogar ganz
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